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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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Erfahrung brachte.
    Manchmal fragte ich mich, wieso ich Goldman überhaupt so treu ergeben war. Ich hätte meinen Vorgesetzten ohne weiteres sagen können: «Wissen Sie was? Ich hab mich ein wenig umgehört, und mein Marktwert liegt bei 900 000 Dollar, nicht bei 700 000 Dollar. Sie bezahlen mir das, oder ich bin weg.»
    Aber das habe ich nie getan, denn, so unglaubwürdig es sich auch anhören mag: Es ging mir nicht nur um das Geld. Ich wollte bei der besten Wall-Street-Firma erfolgreich sein. Ich wollte mich nicht selbst vermarkten, nur um bei einem zweitklassigen Institut mehr zu verdienen. Vielleicht hätte ich es meiner Familie zuliebe tun sollen. Weil ich es nicht tat, habe ich mit Sicherheit weniger verdient, als ich hätte verdienen können. Und manchmal fragte ich mich: Die Firma, der ich da so treu ergeben war, existierte sie überhaupt noch?
    Später an diesem Morgen suchte ich Corey Stevens auf. Er drängte mich ebenfalls, das Angebot anzunehmen. Er betonte nochmals, der Wechsel nach London werde mir den Weg ins obere Management ebnen. Anschließend erfuhr ich von Beth, dass mir Goldman vielleicht das Expat-Paket anbieten würde. Ich wusste, was das bedeutete: Es war eine versteckte, inoffizielle Zusage.
    Ich rief meine Familie an.
    Meine Schwester riet mir zu. Meine Mutter riet mir ebenfalls zu. Ich sagte zu ihr: «Ich will aber nicht, dass deshalb deine Übersiedlung nach Amerika scheitert.» Sie versprach mir, dies würde nicht der Fall sein. Auch mein Bruder ermunterte mich. Mein Vater war etwas zurückhaltender, aber grundsätzlich auch dafür. Er fragte, ob ich langfristig wirklich in Amerika bleiben wolle. Na klar, antwortete ich ihm.
    Am Mittwoch sagte ich Goldman Sachs zu.
     
    Obwohl ich den Job Anfang Oktober annahm, wurde dies erst knapp zwei Monate später bekanntgegeben. Eine Unmenge bürokratischer Formalitäten musste erledigt werden: Alle möglichen Unterschriften waren erforderlich, bis hinauf zum Global Division Head und dem Leiter der Rechtsabteilung. Es zog sich wochenlang hin, und in der Zwischenzeit durfte ich niemandem davon erzählen – weder Kollegen noch Kunden.
    Aber alle wussten, dass irgendetwas im Busch war, und irgendwann sickerte die Information natürlich auch durch. Die Unternehmensleitung hatte nichts dagegen, als wäre dies die natürlichste Form der Informationspolitik. Im November flog ich nach London, um einen Vortrag auf der ersten Lateinamerika-Konferenz von Goldman in Europa zu halten, die im Chancery-Court-Hotel veranstaltet wurde. Es gehörte zu meinen zukünftigen Aufgaben, europäischen Kunden den Zugang nicht nur zu US-Derivaten, sondern auch zu lateinamerikanischen Produkten zu ermöglichen.
    Es war eine nette Überraschung, auf der Konferenz Val Carlotti wiederzusehen – zehn Jahre und drei Monate nach meinem Sommerpraktikum. Meine ersten Tage bei Goldman Sachs schienen eine Ewigkeit her zu sein. Und Val hatte es weit gebracht seit jenen Tagen, als er in den Open Meetings Praktikanten in die Mangel nahm, uns die Unternehmenskultur von Goldman nahebrachte und abends mit uns in Nachtclubs ging. Er war mittlerweile Partner (er hatte es 2006 geschafft) und President von Goldman Sachs Brasilien. Er war aus São Paulo nach London geflogen, um die Eröffnungsrede zu halten, die anwesenden Investoren zu begrüßen und über unser neues Potenzial in Brasilien zu sprechen. Es war eine Begegnung mit der Vergangenheit: Ein paar Minuten lang schwelgten wir in gemeinsamen Erinnerungen.
    Nach der Konferenz blieb ich noch zwei Tage in London und traf in der Goldman-Niederlassung ein weiteres Mal mit den Leuten zusammen, denen ich mich beim ersten Aufenthalt vorgestellt hatte. Mittlerweile wussten sie, dass ich wechseln würde, und freuten sich darüber (jedenfalls die meisten – ein paar haben sich vielleicht verstellt). Aber die Formalitäten waren noch immer nicht erledigt, sodass nichts offiziell war. Ich traf mich auch mit Laura Mehta, meiner ehemaligen Chefin in New York, die mir ihr Ferienhaus auf Long Island zur Verfügung gestellt hatte, die jetzt ein hohes Tier in London war und die sich freute, dass ich den Job angenommen hatte. Nach der stürmischen dreitägigen Reise entspannte ich mich bei einem Abendessen mit meinem Bruder im Hakkasan, einem angesagten asiatischen Fusion-Restaurant. Er war ganz aus dem Häuschen, dass ich bald nach England übersiedeln würde.
    Für Thanksgiving kehrte ich nach New York zurück. Ein paar Tage später waren die

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