Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
Formalitäten endlich erledigt. Beth versammelte das gesamte Team in einem Konferenzraum und sagte etwas trocken: «Wie viele von Ihnen wohl schon gehört haben, schicken wir Greg Smith nach London. Er wird dort unser Geschäft mit US-Derivaten aufbauen. Wir wollen ihm gemeinsam alles Gute wünschen. Zweifellos werden wir ziemlich oft mit ihm sprechen.» Es folgte ein schwacher Applaus: Niemand schien sonderlich überrascht zu sein. Beth lächelte – teils weil sie sich aufrichtig für mich freute, teils, wie ich glaube, weil sie mit sich selbst zufrieden war, dass sie es geschafft hatte.
Auch ich lächelte. Endlich wusste ich, dass sich mein Leben wirklich ändern würde.
Meine Abschiedsparty fand an einem Donnerstagabend Anfang Dezember im SPiN New York statt, einem Tischtennisclub in der östlichen 23. Straße, dem es irgendwie gelungen war, Amateur-Tischtennis von seinem Pingpong-Stigma zu befreien – was vermutlich hauptsächlich dem Charisma seiner Eigentümerin, Susan Sarandon, zu verdanken ist.
Abschiedspartys bei Goldman Sachs waren nach meiner Erfahrung entweder der Hit oder ein ziemlicher Flop, je nach der Beliebtheit der Person, die fortging. Und bei Goldman war die Popularität immer aufs engste mit dem Wert für die Firma verknüpft. Wenn Mitarbeiter, die in professioneller oder persönlicher Hinsicht (aber hauptsächlich professionell) nicht gut gelitten waren, zur Niederlassung in Tokio oder an einen anderen Standort wechselten, ließ sich bei der Abschiedsfeier fast niemand – insbesondere niemand aus der obersten Führungsetage – blicken. Das konnte ziemlich peinlich sein.
Zum Glück blieb mir diese Peinlichkeit erspart. Es berührte mich, wie viele Leute kamen: zwei Dutzend Kollegen aus meiner und anderen Abteilungen.
Meine beiden unmittelbaren Vorgesetzten, Conti und Beth, waren ebenfalls da. Ebenso Connors, der seine Junggesellenabschiedsparty überlebt hatte, nach Boston umgezogen und zum Managing Director befördert worden war und jetzt wieder in New York arbeitete. Außerdem war Bobby Schwartz gekommen sowie zwei weitere Managing Directors aus meiner Abteilung. Ich hielt in der Menge nach Corey Ausschau, aber es überraschte mich nicht, dass ich ihn nicht sah. Abschiedspartys waren nicht sein Ding, selbst wenn sie für ein hohes Tier gegeben wurden. Er ging lieber zu einem echten Event, zu einer Filmpremiere etwa, zu der er sich von einem Model begleiten ließ. Das war er seinem Image schuldig.
Die Party war laut und lang und lustig. Es wurde viel Alkohol getrunken und viel Tischtennis gespielt. Am frühen Abend spielte ich eine Weile mit Connors, der ein ziemlich starker Gegner war, und ich gab ein wenig an, als ich vier Meter hinter dem Tisch stehend all seine Schmetterbälle abwehrte.
Dann spazierte Corey herein.
Er wusste wirklich, wie man einen Auftritt inszenierte. Niemand hatte ihn erwartet, und da war er nun, in Fleisch und Blut. Noch ehe er mich begrüßte, kamen mehrere Leute zu mir, um mir zu sagen, das sei wirklich etwas Besonderes, dass er gekommen sei. «Wow, Corey schaut vorbei», sagte einer meiner Teamkollegen zu mir. «Das ist eine starke Rückendeckung.» Sogar Conti war beeindruckt – vermutlich weil es zeigte, dass Corey mir mehr Achtung entgegenbrachte als gewissen Leuten, die in der Führungshierarchie viel weiter oben standen, aber deren Partys er niemals besuchen würde.
Corey klopfte mir auf die Schulter und stieß mit seiner Brust gegen meine. Er lächelte bedeutungsschwer, als er mir die Hand gab. Im nächsten Moment wurde es noch einmal unruhig im Raum. Coreys legendärer Bruder (oder Halbbruder) – der erst vor kurzem in die Hall of Fame der National Football League gewählt worden war – hatte den Raum betreten. Alle drängten sich um ihn, begeistert über das Erscheinen dieser NFL-Legende. Auch das war eine mehr als nette Geste von Corey – die Tatsache, dass er seinen Bruder gebeten hatte, mit zu meiner Party zu kommen. Es war ein Geschenk an mich und ein starkes Signal. Er hatte sich mir gegenüber immer mehr als anständig verhalten, und heute Abend war es nicht anders. Paul Conti war ein großer Football-Fan, und er war dem legendären Sportler noch nie begegnet, obwohl er Coreys Vorgesetzter war. Dadurch, dass Corey seinen Bruder mitbrachte, zeigte er Conti unmissverständlich, wer ihm wirklich etwas bedeutete. Und dann war da der bewegende Umstand, dass die Legende vor vielen Jahren meinen Lebenslauf herausgepickt hatte – den Typen,
Weitere Kostenlose Bücher