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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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Echtzeitpreis und dem Preis, den der Kunde sah, war für die Firma äußerst vorteilhaft und verdoppelte oder verdreifachte ihre Gewinnspanne (den Gross Credit) bei dem Geschäft.
    Ein anderer Kunde wurde als «Muppet» bezeichnet, weil er nicht verstanden hatte, dass man beim Kauf von Terminkontrakten einen Bareinschuss in bestimmter Höhe leisten musste.
    Ein anderer Kunde erteilte irrtümlich eine Order für seinen Optionskontrakt mit einem falschen Ausübungspreis (den festgesetzten Preis, zu dem der Kunde den Basiswert an einem zukünftigen Termin kaufen oder verkaufen konnte). Der Kunde fragte beim Verkäufer an, ob Goldman den Ausübungspreis einfach abändern und die Optionsprämie wie gehabt belassen könne, weil er sonst Ärger mit seinem Chef bekäme. Weil er zu wenig von Optionspreistheorie verstand, entging ihm völlig, dass ihm der Fehler in diesem Fall zum Vorteil gereicht hätte. Natürlich stimmte der Verkäufer zu. Der Kunde merkte nicht, dass er eigentlich einen viel besseren Preis für das Derivat hätte erhalten müssen und dass er für das Konstrukt rund 1 Million Dollar zu viel bezahlte.
    Noch ein anderer «Muppet», der «keinen blassen Schimmer hatte, was er da tat», ging unmittelbar vor der Krise riesige Short-Positionen in Volatilität ein und machte gigantische Verluste. Die Liste der «Muppets» ließe sich beliebig verlängern.
    Es verblüffte mich, wie offen diese Einstellung zum Ausdruck gebracht wurde. Es war sonderbar – und für mich wirklich ein Problem, denn um Umsatz zu machen, musste ich schließlich Beziehungen zu Kunden aufbauen, nicht zu Trotteln. Was ich vorhatte, würde zunächst einen ziemlichen Einsatz erfordern, aber sobald wir Kunden, die bislang nur «Elefanten-Geschäfte» getätigt hatten, dazu bewegen könnten, von Goldman auch Optionen, Swaps und einfache Standardderivate zu kaufen (und dazu bedürfte es keiner großen Überzeugungsarbeit), würde uns dies einen stetigen Gewinnstrom bescheren. Das war geschenktes Geld. Niedrig hängende Früchte. Warum taten sich die Kollegen so schwer damit?
    Der erste Partner, bei dem ich für mein Basisgeschäft warb, war einer der Sales-Leiter. Ich sagte: «Ich habe mich mit Ihren Leuten getroffen, und sie sagen mir, dass das Geschäft, das ich hier aufbauen will, nicht lukrativ genug ist. Aber die Kunden, mit denen ich spreche, sind da ganz anderer Ansicht. Welches Signal senden wir damit aus, wenn wir ihre Bedürfnisse ignorieren?»
    Er ließ mich glatt abblitzen, in der, wie ich mittlerweile wusste, für Goldman Europa typischen Art. Zumindest drückte er sich sehr anschaulich aus: «Wir haben nur eine gewisse Zahl von Kugeln, die wir auf Kunden abfeuern können», sagte er mir. «Und die sollten wir uns für die großen Elefanten-Geschäfte aufheben.»
    Ich zuckte innerlich zusammen. Wo lebte der Mann? Das letzte Mal, als die Elefanten frei herumliefen, war 2008. Er hielt ganz offensichtlich noch immer an dem Traum jener ein bis zwei Millionen Dollar schweren Deals mit strukturierten Produkten fest, die längst obsolet waren, aber dem Einfältigen Kunden beziehungsweise dem Kunden-der-nicht-zu-fragen-versteht natürlich immer aufs Auge gedrückt werden konnten.
    Das Geschäft, das ich entwickeln wollte, würde 50 000 Dollar an Gebühren hier und 50 000 Dollar da einbringen, und am Ende des Jahres wären die 20 Millionen Dollar beisammen, die ich als Erlös prognostiziert hatte. Wenn wir allerdings den Kunden sagten: «Wir machen keine kleineren Geschäfte mit US-Derivaten», würden wir sie nur vor den Kopf stoßen oder, schlimmer noch, der Konkurrenz in die Arme treiben. Wie konnten wir erwarten, dass sie ihre großen Deals mit uns machten, wenn wir ihnen sagten, ihre kleinen Deals seien nicht gut genug für uns?
     
    Am 12. Februar legte ich meine FSA-Prüfung ab: Endlich konnte ich loslegen! Und noch am selben Tag brach ich mit meinem Chef und einem Kollegen zu meiner ersten Geschäftsreise nach Mailand auf. Ich freute mich darauf, zum ersten Mal nach Italien zu kommen, und ich war sehr erleichtert, endlich die Prüfung hinter mich gebracht zu haben.
    Mailand übertraf meine Erwartungen. Mein Chef wohnte im Bulgari, einem supernoblen Hotel, in dem nur noch ein Zimmer frei war. Mein Kollege und ich stiegen im Park Hyatt ab, das kaum weniger luxuriös war. Ich hatte ein Standardzimmer, aber einen solchen Standard hatte ich noch nicht erlebt. Es war wie ein Zimmer in einer eleganten italienischen Villa, mit direktem

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