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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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Finanzbranche gestellt hätte. Am wichtigsten war uns der Aspekt: War eine Person angenehm im Umgang? War sie uns sympathisch? Würde sie mit Menschen zurechtkommen? Arrogante Überflieger überstanden in der Regel die Bewerbungsgespräche bei Goldman nicht.
    Wenn wir unsere Kandidaten auf dem Campus ausgewählt hatten, unternahm ich alles, was in meiner Macht stand, damit sie nach dem Praktikum auch eine Stelle bekamen. Ich gebe zu, dass ich in dieser Hinsicht voreingenommen war, aber ich hatte immer das Gefühl, dass die jungen Leute aus Stanford einerseits unbeschwerter, andererseits aber auch offener waren als ihre Altersgenossen von den Eliteuniversitäten der Ostküste, die oft ziemlich verbissen und arrogant wirkten. Ich hatte diesen Unterschied zwischen Ost-und Westküste sehr deutlich gesehen, als ich selbst Sommerpraktikant war.
    Ich war stolz, dass mehr als die Hälfte meiner Gruppe von fünfundzwanzig Praktikanten am Ende des Sommers eine Vollzeitstelle in der Firma angeboten bekam – das war der höchste Prozentsatz aller Praktikumsmanager.
    Vielleicht war das der Grund dafür, dass ich als einer von zehn Angestellten für ein im Dokumentarfilmstil produziertes Recruitment-Video ausgewählt wurde, das ebenfalls in diesem Sommer gedreht wurde. Die Firma verpflichtete eine Produktionsfirma, die mich beim Interagieren mit anderen Angestellten im Handelssaal und dann noch einmal für ein Interview filmte.
    Das Sahnehäubchen in diesem Sommer 2006 war ein Angebot, das aus heiterem Himmel kam. Laura Mehta, Managing Director unserer Abteilung, besaß auf dem nördlichen Ausläufer von Long Island ein kleines Haus – es hatte nur zwei Schlafzimmer, doch es sah aus, als wäre es gerade für den Architectural Digest fotografiert worden. Makellos weiß stand es auf der Klippe, mit Meerblick und ausgestattet mit allem Komfort: Luxusküche, Tiefkühltruhe, Surround-Sound-Anlage. Laura schickte Connors und mir eine Mail, dass, wer von uns möchte, das Haus an Wochenenden gern nutzen könne, sofern sie nicht selbst dort war. «Ihr habt sehr hart gearbeitet», schrieb sie, «ihr seid herzlich eingeladen.» Nadine und ich waren erst seit kurzem richtig zusammen – was hätte romantischer (und ehrlich gesagt imposanter) sein können als mit meiner neuen Freundin das Wochenende im Haus eines Goldman-MDs mit Blick auf den Long-Island-Sund zu verbringen? Laura beriet uns und gab uns Tipps, wo man am besten essen konnte – wir gingen ins Frisky Oyster in Greenport zum Dinner und holten uns auf dem Wochenmarkt in der Straße die Eier-Käse-Sandwiches, die sie empfohlen hatte. Ich war siebenundzwanzig Jahre alt und hatte das Gefühl, dass eine Menge Dinge ziemlich gut für mich liefen.
     
    Es lief wirklich gut. Ende November rief mich Laura in ihr Büro und sagte lächelnd: «Herzlichen Glückwunsch, Greg.»
    Ich wusste, was nun kam, und strahlte sie schon an, bevor sie weitergesprochen hatte.
    «Wir befördern Sie zum Vice President», sagte Laura.
    Ich war extrem stolz. Doch man muss diese Beförderung in der richtigen Perspektive sehen. Noch am selben Tag schickte Lloyd Blankfein eine E-Mail an die gesamte Firma, in der stand: «Dies sind unsere neuen Vice Presidents. Wir möchten jedem einzelnen von ihnen gratulieren.» Die Liste umfasste mehr als tausend Personen. Wissen muss man auch, dass Goldman Sachs jedes Jahr in etwa die gleiche Anzahl Leute entlässt – nämlich ein-bis zweitausend. Das heißt, die Beförderung zum Vice President ist nicht zuletzt ein Zeugnis dafür, dass man über eine gewisse Survival-Mentalität verfügt. Viele, die mit mir als Analyst angefangen hatten, waren nicht mehr da. Viele weitere würden noch verschwinden.
    Der Status eines Vice President bei Goldman Sachs ist nicht mit einer Gehaltserhöhung verbunden. Wenn die Firma ein schlechtes Jahr hat, kann ein neu ernannter VP theoretisch sogar weniger verdienen als zuvor als Associate. Ebenso wenig bilden die Vice Presidents bei Goldman eine erlesene Elite: Von den dreißigtausend Angestellten sind rund zwölftausend VPs. Sie sind noch immer das Fußvolk. Sie sind die Leute, die die meiste Arbeit machen, und meiner Meinung nach sind sie es, die die Firmenkultur besser verkörpern als so mancher Manager in seinem gläsernen Eckbüro.
    Trotzdem war ich stolz. Jeder beglückwünschte mich. Ich muss fast hundert E-Mails bekommen haben – von Leuten über mir und unter mir, von Kunden, selbst von Freunden ohne Verbindungen zur Finanzbranche,

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