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Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Titel: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milan Kundera
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ja sogar Monate), so daß die Zeit, die man der Eroberung widmete, zum Wertmaß des Eroberten wurde. Selbst heute, da die Zeit der Eroberung sich unwahrscheinlich verkürzt hat, erscheint die Sexualität immer noch als Tresor, in dem das Geheimnis des weiblichen Ich verborgen liegt.
    So war es keinesfalls der Wunsch nach Wollust (die stellte sich später als eine Art Prämie ein), sondern der Wunsch, sich der Welt zu bemächtigen (mit dem Skalpell den daliegenden Körper der Welt zu öffnen), der ihn dazu bewegte, den Frauen nachzujagen.
    Männer, die einer Vielzahl von Frauen nachjagen, lassen sich leicht in zwei Kategorien einteilen. Die einen suchen in allen Frauen ihren eigenen, subjektiven und stets gleichen Traum von der Frau. Die anderen werden vom Verlangen getrieben, sich der unendlichen Buntheit der objektiven weiblichen Welt zu bemächtigen. sah aus wie eine wundersame Kreuzung zwischen einem zarten Jüngling, einer Giraffe und einem Storch.
    Sie sah ihn forschend an, mit einem langen, aufmerksamen Blick, dem ein Anflug intelligenter Ironie nicht fehlte.
    »Treten Sie ein, Herr Doktor«, sagte sie.
    Offensichtlich wußte die Frau, wer er war. Er hatte keine Lust, darauf einzugehen, und fragte: »Wo kann ich Wasser holen?«
    Sie öffnete die Tür zum Badezimmer. Er sah ein Waschbecken, eine Wanne und eine Kloschüssel, davor lagen kleine rosarote Teppiche.
    Die storchenartige Giraffenfrau lächelte und blinzelte mit den Augen, so daß alles, was sie sagte, voll von geheimem Sinn oder geheimer Ironie war.
    »Das Badezimmer steht ganz zu Ihrer Verfügung, Herr Doktor«, sagte sie, »Sie können darin tun und lassen, was Sie wollen.«
    »Sogar ein Bad nehmen?« fragte Tomas.
    »Baden Sie gern?« fragte sie.
    Er füllte seinen Kübel mit warmem Wasser und kehrte in den Salon zurück. »Wo soll ich anfangen?« »Das hängt ganz von Ihnen ab«, sagte sie schulterzuckend.
    »Kann ich die Fenster in den anderen Zimmern sehen?«
    »Möchten Sie meine Wohnung kennenlernen?« Sie lächelte, als wäre das Fensterputzen eine seiner Schrullen, für die sie sich nicht interessierte.
    Er betrat das Nebenzimmer. Es war ein Raum mit einem großen Fenster, zwei zusammengerückten Betten und einem Bild mit einer Herbstlandschaft mit Birken und Sonnenuntergang.
    Als er zurückkam, standen eine offene Weinflasche und zwei Gläser auf dem Tisch. »Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit?«
    »Sehr gern«, sagte Tomas und setzte sich.
    »Das muß eine interessante Erfahrung für Sie sein, so viele Haushalte kennenzulernen«, sagte sie.
    »Es ist nicht schlecht«, sagte Tomas.
    »Überall warten Frauen auf Sie, deren Männer zur Arbeit gegangen sind.«
    »Viel häufiger sind es Omas und Schwiegermütter.«
    »Und Ihr früherer Beruf fehlt Ihnen nicht?«
    »Sagen Sie mir lieber, wie Sie von meinem Beruf erfahren haben.«
    »Ihre Firma lobt Sie sehr«, sagte die Storchenfrau.
    »Immer noch?« wunderte sich Tomas.
    »Als ich dort anrief, daß man mir einen Fensterputzer schicken sollte, fragte man mich, ob ich Sie haben wollte. Sie seien ein berühmter Chirurg, den man aus dem Krankenhaus hinausgeworfen habe. Das hat mich natürlich interessiert.«
    »Sie sind so herrlich neugierig.« »Sieht man mir das an?«
    »Gewiß, Ihrem Blick.«
    »Und wie ist der?«
    »Sie blinzeln. Und stellen in einem fort Fragen.«
    »Antworten Sie etwa nicht gern?«
    Es war ihr zu verdanken, daß die Unterhaltung von Anfang an einen koketten Reiz hatte. Nichts von dem, was sie sagte, hatte mit der Umgebung zu tun, alles bezog sich direkt auf sie beide. Und weil das Gespräch von Anfang an ihn und sie zum Hauptthema erkoren hatte, gab es nichts Einfacheres, als die Worte durch Berührungen zu ergänzen, und während Tomas von ihren blinzelnden Augen redete, streichelte er sie. Sie erwiderte jede seiner Berührungen, tat das aber nicht spontan, sondern gewollt und systematisch, als spielte sie das Spiel »Wie du mir, so ich dir«. So saßen sie sich gegenüber, und jeder hatte die Hände auf dem Körper des anderen.
    Erst als Tomas versuchte, ihren Schoß zu berühren, wehrte sie sich. Er konnte nicht abschätzen, inwieweit ihre Abwehr ernst gemeint war, jedenfalls war viel Zeit verstrichen, und er mußte in zehn Minuten beim nächsten Kunden sein.  Er erhob sich und erklärte ihr, er müsse nun gehen. Ihre Wangen glühten.
    »Ich muß noch Ihren Arbeitsbericht unterschreiben«, sagte sie.
    »Ich habe doch gar nicht gearbeitet«,

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