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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Über den Umgang mit und unter Verliebten
     
     
    Die Morgen-Kutsche hatten sie verschlafen, erst mit der Mittagspost machten sie sich auf den Weg nach Köln. Ihr Gatte war schweigsam, Leonie selbst einfach nur müde. Doch sie fürchtete nicht, diesmal wieder zu erkranken.
    Es waren Zentnerlasten von ihr gewichen.
    Sie brauchte sich nicht mehr zu verstellen, niemand verlangte von ihr, die achtungsvolle Tochter zu spielen. Sie betrauerte noch immer Rosalies Schicksal, doch so, wie sie es bei jedem anderen Kind auch getan hätte. Niemand forderte mehr von ihr.
    Sie konnte in die Zukunft schauen. Und in dieser Zukunft gab es einen Mann und Kinder, zwei kluge, manchmal übermütige, selten bockige, einfach ganz gesunde Kinder. Sie entschädigten sie dafür, dass sie vermutlich keine eigenen haben würde.
    Die Kutsche rumpelte über die holperigen Wege, und hin und wieder wurde sie gegen ihren Gatten geworfen. Es machte ihr nichts mehr aus, ihre steife Haltung, die sie früher immer eingenommen hatte, um nur jede Berührung zu vermeiden, war jetzt auch nicht mehr notwendig.
    Es war schon fast dunkel, als sie endlich zu Hause eintrafen.
    »Möchten Sie sich sogleich zurückziehen, Leonie?«
    »Nein, ich möchte gemeinsam mit Ihnen und den Kindern zu Abend essen, wenn es recht ist.«
    »Aber gerne.«
    Sie wechselte die Reisekleider gegen ein leichtes Hauskleid und bürstete sich die Haare aus. Rike stand ein wenig verlegen im Boudoir und drehte die Hände ineinander.
    »Was ist, Rike? Gibt es ein Problem?«
    »Gnädige Frau, ist es richtig, dass Ihr Vater verschieden ist?«

    »Gustav Gutermann ist gestorben, ja.«
    »Müssten Sie nicht - ich meine, wegen der Kleider …«
    »Ich werde keine Trauer tragen. Er war nicht mein Vater.«
    »Oh!«
    Sollte Rike sich selbst einen Reim darauf machen, das war sicher das Beste. Das Gleiche würde sie bei Jette sagen, auch wenn die gestrenge Haushälterin sicher die Nase rümpfte. Aber die Herrschaft war den Bediensteten nun mal keine Erklärung für ihr Handeln schuldig. Nur den Kindern musste sie eine plausible Geschichte erzählen, und das Beste war wohl, so weit wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben.
    Doch bevor sie zu Tisch gingen, stellte sie fest, wie geschickt ihr Gemahl diese Frage schon geklärt hatte.
    »Ich habe ihnen gesagt, Gutermann sei bedauerlicherweise mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, Leonie, weshalb wir so wenig Aufhebens wie möglich um sein Ableben machen wollen. Das ist im Übrigen ganz richtig, denn er hat ein paar sehr bedenkliche Geschäfte mit Grundstücken getätigt und sich der Unterschlagung von Geldern schuldig gemacht.«
    »Wovon Sven im Sommer sprach?«
    »Genau.«
    »Haben Sie ihn damit konfrontiert?«
    »Es blieb mir nichts anderes übrig. Man wollte mir - aus gutem Grund übrigens, denn die notwendigen Informationen stammten aus meinen Vermessungsunterlagen - die Schuld dafür anlasten. Er hat sie von Lüning bekommen, der unter der Hand Abschriften angefertigt hatte. Ich teilte ihm mit, ich wolle diese Fakten der Eisenbahndirektion unterbreiten. Es hat ihn sehr echauffiert.«
    »Aber nicht seinen Herzanfall ausgelöst.«
    »Nein, ich denke, der Besuch der Direktoren hat ihn derartig aufgeregt, dass ihn der Schlag traf.«
    »Nun, er hätte ja ehrlich bleiben können.«
    »Richtig. Wollen wir zu Tisch gehen?«
    Fröhlich wie sonst verlief das Essen nicht, sondern eher still, und die Zwillinge zogen sich nach dem Nachtisch ein wenig scheu zurück. Ganz geheuer war ihnen die Situation nicht, merkte Leonie, aber sie würden oben in ihrem Zimmer schon genug darüber spekulieren
und zu einer eigenen Haltung dazu finden. Es war schön, wenn man zu zweit war.
    Sie nahm ihr Weinglas und ging zum Wintergarten. Der Himmel hatte sich bezogen, und ein kräftiger Wind war aufgekommen. Der Herbst hielt Einzug, in zwei Tagen würde bereits der erste November sein.
    »Ich muss für ein paar Wochen fort, Leonie.«
    Ihr Ehemann war hinter sie getreten und schaute auch in den stürmischen Himmel.
    »Für Wochen?«
    »Ja, ich hätte schon längst aufbrechen müssen, aber die Ereignisse hinderten mich. Seien Sie mir nicht böse.«
    »Wohin führt Ihre Reise?«
    »Nach Nürnberg.«
    Sie stellte ihr Glas ab und drehte die Flamme in der Lampe hoch. Dann trat sie vor ihn.
    »Ich bin die Maskerade so leid!«, stieß sie hervor und zog ihm die Augenklappe vom Gesicht. Er wehrte sie nicht ab, und mit fassungslosem Staunen sah sie in ein braunes und ein blaues Auge.
    »Ein

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