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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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freute sich so unbändig und hatte gar nicht bemerkt, in welch aufgeladenen Moment er mit seiner Neuigkeit geplatzt war.
    Er hatte Guri und Ingvild bei den Händen gefasst und war mit ihnen über den Hof getanzt. Lauthals hatte er dabei sein Lieblingslied gesungen:
    »Mädel, ich bin dir so gut,
    Mädel für dich all mein Blut.
    Wenn alles vergehet, dies Herze bleibt dein, denn du bist mein Leben, du Mädel am Rhein.«
    Freudentränen waren ihm über die Wangen gelaufen, und für einen Moment war Frieden gewesen.
    Torleif hatte gutmütig den Kopf geschüttelt und zur Feier des Tages eine Flasche Gammel Dansk aus einem Versteck geholt. Nur Magnus war über die Wiesen verschwunden, ohne sich zu verabschieden. Ich hielt die Spannung kaum aus. Die Freude über unseren Familienzuwachs wurde von der Angst, es könnte etwas Schreckliches geschehen, völlig überlagert. Ein Bärenherz ist eigentlich nicht so leicht in Aufruhr zu versetzen. Doch ich begriff, dass Gefahr im Verzug war.
    Egal wie Ingvild sich verhielt: Die Katastrophe war bereits vorprogrammiert. Ich fürchtete, dass Magnus etwas Gefährliches plante, und fürchtete noch mehr, dass Friedrich davon Wind bekäme.
    Was würde dann passieren?
    Täte Friedrich seine Pflicht und schwärzte er die Familie bei seinem Spieß an, bedeutete das die Höchststrafe. Für Widerstand und Mithilfe zum Widerstand wurde die Todesstrafe verhängt, das hatte inzwischen selbst ich verstanden. Verschwieg er es, machte er sich der Mitwisserschaft schuldig und würde seinerseits des Hochverrats angeklagt. Wie man es auch drehte, Magnus’ Plan war für alle auf unterschiedlichste Weise lebensgefährlich.
    Es war grauenvoll.
    Jeden Tag hoffte ich, Friedrich würde spät nach Hause kommen und keine Gelegenheit finden, mit Ingvild zu sprechen. Wäre das nicht am besten für beide? Er würde nichts ahnen, und sie würde nichts wissen, was sie weitergeben könnte.
    Jeden Tag hoffte ich, Magnus möge kommen und verkünden, er habe es sich anders überlegt.
    Doch meine Hoffnungen blieben unerfüllt.
    Magnus kam regelmäßig. Seine Besuche waren für die deutschen Soldaten unauffällig, denn nie kam er ohne Grund: eine Kuh, die kalbte, eine Egge, die klemmte, ein Esel, der sich widersetzte. Doch er versäumte nie, seiner Schwester einen viel sagenden Blick zuzuwerfen, den sie mit einem Nicken quittierte. Ich bin dabei, hieß das, du kannst auf mich zählen.
    Trotzdem gerieten die Geschwister immer wieder in Streit, denn der Druck war für beide unerträglich, und nicht selten war ich Zeuge dieser Auseinandersetzungen. Dann standen sie in der dunklen Küche, in der es nach Feuer und Reisbrei roch, und sahen einander aus wütenden Augen an.
    »Was planen sie?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du willst es nicht sagen.«
    »Magnus, ich weiß es nicht. Wir haben kaum Gelegenheit zu sprechen. Vielleicht ahnt Fritz ja auch irgendwas. Ich habe nichts mitbekommen.«
    »Hast du gefragt?«
    »Was soll ich denn fragen: Entschuldige, Fritz, welches Aufwieglernest wollt ihr als Nächstes hochgehen lassen? Und um wie viel Uhr, wenn ich fragen darf, nur so, rein interessehalber? Fritz hat sowieso keine Ahnung. Er ist beim Störungstrupp, nicht bei der Gestapo.«
    »Du willst nicht helfen. Du hast Angst.«
    »Ja, ich habe Angst. Willst du mir das verbieten? Ich versuche zu helfen, so gut ich kann.«
    »Lass uns nicht im Stich, Schwesterlein«, sagte Magnus. »Wir müssen doch zusammenhalten.«
    »Ich würde meine Familie niemals im Stich lassen.«
    »Ich weiß. Entschuldige. Meine Nerven liegen blank.«
    »Meine auch.«
    Er umarmte sie zum Abschied und verschwand über den Hof.
    »Was war denn los?«, fragte Friedrich, der völlig unbemerkt in der Küchentür erschienen war.
    Ingvild und ich fuhren erschreckt auf.
    Gebt mir einen Wunsch, nur einen Wunsch, und alles wird gut.
    »Ach, nichts«, sagte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Es ging mal wieder um unsere Mutter.«
    »Aha«, sagte Friedrich und sah Ingvild forschend an. Lange.
    Sie wandte sich ab und machte sich am Butterfass zu schaffen.
    »Ich nehme Ole mit, ja?«, sagte Friedrich und nahm mich von der Küchenbank. Er war schon fast draußen, da drehte er sich noch einmal zu Ingvild um.
    »Ich habe schlechte Nachrichten für euch.«
    Ingvild sah auf. Ihre Augen waren ausdruckslos.
    Nein. Bitte nicht.
    Friedrich schlug den Blick nieder.
    »Ich muss euer Radio beschlagnahmen. Es hat einen Zwischenfall gegeben, nicht weit

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