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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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unsere Feldküche mit prima Erbsensuppe für 50 Øre der Teller. Habe mir zwei Kochgeschirre einverleibt. Dann stieg das Wunschkonzert, Norweger waren auch mit ungefähr 100 Personen anwesend. Wir Kameraden aus Bielefeld hatten uns für 28 Kronen mein Lieblingslied gewünscht »Mädel, ich bin dir so gut«. Natürlich habe ich dabei an Dich gedacht, als es gespielt wurde. Ich wünschte, ich könnte bei Dir sein. Denke bitte nicht, dass mir mein Herz durchgebrannt ist und ich Heimweh hätte, nicht die Bohne, nur jetzt, wo mir die Heimat so nahe gerückt ist, gibt es nur eines, Du meine süße Frau, Du bist meine Heimat, wo ich mich drauf freue, wenn dieser Krieg einmal ein Ende findet.
    Nun muss ich schließen, meine Augen fallen mir zu. Nur eines noch: Schicke mir doch bitte bald Zigarettentabak und Zigarillos. Sieh aber bitte zu, dass du nur das Beste kaufst, das andere Zeug, das kann man kaum mehr rauchen.
    Die Pralinen von Stollwerck waren noch sehr gut, also süße Sachen sind immer willkommen, sicher würde sich auch die kleine Guri sehr darüber freuen. Für Dich sind Schokolade und Pralinen aber auch sehr wichtig, da sind gute Aufbaustoffe und sehr viel Fett drin, die Du jetzt in der mageren Zeit nötig hast.
    Sei unverzagt, tapfere kleine Soldatenfrau, ich denke immer an Dich und behalte Dich lieb und küsse Dich heute von Herzen auf Deinen roten Mund.
    In Liebe Dein Friedrich.
    PS: Ole lässt ganz herzlich grüßen!
    Friedrich legte den Stift zur Seite und ließ sich aufs Bett fallen. Und während er seine Soldatenträume träumte, versuchte ich mir vorzustellen, wie es wäre, wenn sie alle zu einem Volk gehörten und sich nicht bekämpfen müssten.
    Der Frühling kam mit aller Macht, und auf dem Hof gab es immer genug zu tun. Immer häufiger kam es vor, dass Friedrich seine Freizeit nicht im Soldatenheim in Gol verbrachte, sondern »zu Hause« blieb. Er half bei kleineren Arbeiten im Haus, und Ingvild stellte ihm dafür gerne ein extra Glas Milch oder frische Eier hin. Ich merkte, wie sie aller Freundlichkeit zum Trotz immer die nötige Distanz wahrte, und Friedrich akzeptierte das still. Waffenstillstand mit Familienanschluss.
    Guri spielte jetzt auch mit mir, wenn Friedrich Dienst hatte. Wen würde es wundern, wenn ich sage, dass ich diese Zeit genoss? Die kleine Guri schleppte mich mit in den Stall und in die Scheune. Sie nahm mich mit auf die Wiese und sang mir Lieder vor, während sie kleine Kränzchen aus Gänseblümchen wand, die sie mir dann zwischen die Ohren setzte. Am liebsten aber saß ich mit ihr im Haupthaus in der gemütlichen Stube, wenn Ingvild und Torleif dabei waren. Manchmal, in den alltäglichsten Momenten, war es fast so wie früher bei den Bouviers.
    Sie unterhielten sich über das Wetter. Das Wetter war hier oben in den Bergen noch wichtiger als der Krieg. Über den Krieg sprachen sie auch, aber nicht oft. Eigentlich nur, wenn Magnus zu Besuch kam.
    Magnus war Ingvilds Bruder. Er war ein schlanker, drahtiger Mann mit einem hitzigen Charakter, jung und ungestüm. Magnus, der Große, brachte immer alles durcheinander. Ich mochte ihn, wie ich immer Menschen mag, die sich nicht alles gefallen lassen, die mit entschlossener Falte auf der Stirn für ihre Meinung kämpfen. Das war ein Charakterzug, den ich an Friedrich schmerzlich vermisste, nur erkannte ich bald, dass in diesem Fall das Durcheinander, das Magnus anrichtete, gefährlich war. Das Leben war nämlich schon durcheinander genug.
    Es war an einem jener friedlichen Frühsommerabende, wir waren ungefähr seit acht Wochen in Gol. Ingvild und Torleif saßen auf ihrer Holzbank und schwiegen einträchtig in die Stille. Die Hühner versteckten ihre Eier irgendwo auf der Wiese, und ich wusste schon jetzt, dass Ingvild am nächsten Tag wieder leise vor sich hinschimpfen würde, wenn sie versuchte, sie zu finden.
    Der Sommer hatte schließlich doch die Oberhand gewonnen und ließ die Sonne fast rund um die Uhr scheinen. Nachts legte sich ein unwirkliches Zwielicht über Haus und Hof, ein Licht, das die Konturen von Menschen, Dingen und Gedanken verwischte. Guri wollte jetzt abends kaum müde werden, so sehr genoss sie die hellen, lauen Nächte. Manchmal schlief sie dann auf dem Schoß ihrer Mutter ein, wenn sie abends noch eine Weile auf der Bank vor dem Haus saßen.
    An diesem Abend war Guri jedoch im Stall verschwunden, vermutlich um irgendeinen Streich auszuhecken, und hatte mich auf der Bank liegen lassen.
    Geistesabwesend fuhr

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