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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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spielen? Dann packe ich ihn erst morgen ein.«
    Guri nickte still und hob mich vom Schreibtisch. Sie musste sich auf die Zehen stellen, um an mich heranzukommen.
    Wir gingen hinaus in den Schnee. Ins freundliche Licht dieses Tages.
    Es fiel mir schwer, an den Abschied zu denken, und dennoch war ich unendlich erleichtert, dass wir die Zeit überstanden hatten, ohne dass Friedrich von Magnus’ Partisanen etwas mitbekommen hatte. Es war noch einmal alles gut gegangen.
    Es würde ein weiterer Abschied auf einer langen Liste von Abschieden werden, es würde in meiner Erinnerung ein neues Eckchen geben, in dem sich Bilder, Gedanken, Gerüche und Erlebnisse sammelten.
    Ich würde nichts vergessen. Denn ein Bär vergisst nichts, was sein Herz einmal erreicht hat.
    Es war schon dunkel, als Friedrich von einer Ordonnanz zum großen Fest im Soldatenheim abgeholt wurde, doch der Mond leuchtete hell und tauchte die Gegend in blaues Licht. Beschwingter als ich ihn je gesehen habe, sprang Friedrich die drei Treppenstufen vom Gesindehaus hinunter, grüßte zackig und verschwand in der Dunkelheit.
    Ich blieb allein zurück. Jedoch nicht in der guten Stube, sondern draußen auf der Bank. Guri hatte mich sitzen lassen, nachdem ich beim Schneemannbauen nur wenig zur Hand gehen konnte. Sie war so versunken in ihr Werk gewesen, dass sie mich einfach vergaß. Als Ingvild zum Essen rief, fügte ich mich in das Schicksal einer kalten Nacht, ich übernachtete ja nicht zum ersten Mal im Freien und erfrieren konnte ich glücklicherweise nicht. Ich wusste, dass Friedrich mich nicht vergessen würde. Morgen würde er mich einpacken. Morgen fuhren wir nach Hause.
    Es muss schon spät gewesen sein, als ich plötzlich Schritte hörte. Der Schnee knirschte trocken, und ich sah kurz den Schein einer Lampe aufleuchten. Dann war es wieder dunkel. Ich hörte das Scheunentor.
    Was war hier los? Wer schlich denn mitten in der Nacht über den Hof? Ich spitzte die Ohren. Was sollte ich auch sonst tun? Bellen konnte ich ja schlecht – außerdem war das eigentlich Fips’ Aufgabe als Hofhund. Warum schlug er nicht an?
    Hörte denn Torleif die Geräusche nicht? Wenn Elche, Bären oder Schakale dem Hof zu nahe kamen, wachte er doch auch sofort auf. Ich hörte wieder Schritte, diesmal aus einer anderen Richtung. Da war noch eine zweite Person. Was in aller Welt taten diese Leute hier? Wieder das leise Quietschen des Scheunentors, das Torleif regelmäßig ölen musste. Dann kam eine schwarz gekleidete Gestalt um die Ecke.
    Magnus.
    Ich erkannte ihn sofort. Der zielstrebige Gang, die schnellen Bewegungen.
    Was hatte er mitten in der Nacht hier zu suchen? Und wer war die andere Person, die ich gehört hatte? Ingvild? Oder ein Fremder?
    Plötzlich dämmerte mir Fürchterliches: das Fest im Soldatenheim. Alle Soldaten ausgelassen auf einem Haufen. Kaum Wachen. Wenn man die Deutschen treffen wollte, bestanden dort die besten Erfolgsaussichten. Diese Gelegenheit würde sich kein Partisan entgehen lassen. Wieso war ich nicht vorher darauf gekommen?
    Mir stand das Fell zu Berge.
    Jetzt erst erkannte ich, dass Magnus ein Gewehr in der Hand hielt. Wo hatte er das denn her? Die Norweger hatten schon vor langer Zeit ihre Waffen abgeben müssen. Es war unter Androhung der Todesstrafe verboten, Waffen zu besitzen.
    Ich dachte an Friedrich, der feierte, dass er morgen nach Hause durfte, und bekam schreckliche Angst um ihn.
    Wieder hörte ich Schritte, doch diesmal kamen sie vom Tor.
    Wer kam jetzt noch?
    Magnus schien nichts zu hören, er hatte seine Mütze weit über die Ohren gezogen.
    Um Himmels willen, das war Friedrich!
    Warum war er denn schon zurück?
    Bereits am Klang seiner Schritte konnte man merken, dass er guter Laune war, vielleicht hatte er ein oder zwei Bier getrunken. Als er um die Ecke bog, war sein leises Pfeifen zu hören. Es war das Lied vom Mädel am Rhein.
    Ich werde dieses Lied nie vergessen, das Friedrich so unentwegt an seine Marlene erinnerte, das ihn tröstete, wenn er sich einsam fühlte, das ihm Hoffnung gab und ihn freute. Ein dummes, einfaches Lied. Und wenn ich heute an ihn denke, dann klingt es immer noch in meinem Kopf und ich sehe ihn vor mir, wie er mit Ingvild und Guri an den Händen über den Hof tanzte und aus voller Kehle sang.
    Magnus erstarrte. Friedrich erstarrte.
    Die beiden Männer standen einander gegenüber und sahen sich an. Der Mond zeichnete ihre Konturen schwarz in den Schnee.
    Ich bebte. Ich wünschte mir, ich könnte die

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