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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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von hier. Nach sechs Uhr abends dürfen norwegische Männer von nun an nicht mehr allein auf die Straße. Morgen wird es eine offizielle Verlautbarung geben. Warum fordert ihr uns so heraus? Ihr lasst uns ja keine Wahl.«
    Verstehst du das wirklich nicht?
    Ingvild schwieg, und Friedrich drückte mich so fest zwischen seinen Händen, dass mir ganz schlecht wurde.
    Was machte dieser Krieg nur aus ihm?
    »Befehl ist Befehl«, sagte Ingvild und lächelte gequält.
    »Ja«, sagte Friedrich. »Befehl ist Befehl.«
    War es nicht merkwürdig? Nun waren wir so weit weg von Kanonen und Fliegerangriffen, und dennoch war die Bedrohlichkeit dieses Krieges näher als je zuvor. Sie hatte sich in die Herzen der Menschen geschlichen und warf dort lange Schatten, die bis in die sonst so gemütliche Küche der Haugoms reichten.
    Die Radios wurden eingesammelt, Magnus kam nun immer am Nachmittag, und der Sommer ging in Stille dahin. Für wenige Wochen strahlte die Sonne Tag und Nacht, und dann kam plötzlich die Dunkelheit zurück. Die Bäume färbten sich rot und gelb und orange, und es sah aus, als hätte es Farben geregnet. Bald darauf kam der erste Frost.
    Ingvild wurde blass und immer stiller, sie bekam einen schlimmen Husten, der sie tagelang außer Gefecht setzte. Man konnte ihr ansehen, dass die Situation sie quälte. Sie wollte zu ihrem Bruder halten und zu ihrem Land stehen, sie wollte Radio hören, sie wollte das Leben ihrer Familie beschützen, sie wollte Friedrich nicht ausspionieren. Sie befand sich in einer schrecklichen Zwickmühle und war damit ganz allein.
    Nun, sie war nicht ganz allein. Ich teilte ihre Sorgen.
    Ich war Doppelagent ohne die Möglichkeit zu handeln. Mein Wissen brachte mich fast um den Verstand, und mehr als alles andere wünschte ich mir, dass sich meine Ohren für immer verschlössen. Ich wollte nichts mehr hören – weder von geheimen Plänen noch von offiziellen Verlautbarungen.
    Friedrich machte die Sache nur noch schlimmer: Er kümmerte sich rührend um Ingvild und brachte Medizin mit, die für die Norweger so gut wie gar nicht zu bekommen war. Er bat Marlene in seinen Briefen immer wieder darum, Schokolade und andere Dinge zu schicken, damit er den Haugoms seine Dankbarkeit zeigen könne. Er bemühte sich. Friedrich. Er war nicht der Große. Er war der Naive mit dem großen Herzen – und das kämpfte in diesem Krieg auf verlorenem Posten.
    Ich schaute in jenen Tagen nur hilflos von einem zum anderen und bat einen Gott, von dem ich keine Ahnung hatte, darum, uns zu verschonen.
    Ich hatte wirklich keine Ahnung. Denn so ein Gott, der kann scheinbar noch ganz anders.
    Friedrich bemerkte nichts. Er dachte nur noch an seinen Stammhalter, an seinen Urlaub und daran, dass dieser lästige Krieg endlich ein Ende finden möge.
    Marlene schrieb uns. Die Angriffe der Engländer auf Köln würden jetzt immer stärker, ganze Viertel seien in Rauch aufgegangen. Sarah R. sei fort, vermutlich wegen K. F. Und sie habe noch eine traurige Nachricht, Hänschen, Franziskas Mann, sei gefallen, als er gegen England flog, doch Franziska trage es erstaunlich tapfer. Tante Lottchen habe eine Lungenentzündung, und Fritzi sei ins Spital nach Bergisch Gladbach versetzt.
    Ist es nicht grotesk? Während Friedrich in einem unbeteiligten Land im Namen Deutschlands Unheil verbreitete, bekam seine Familie daheim die Quittung dafür.
    Fast beruhigte mich Friedrichs Arglosigkeit. Manchmal schien er fast vergessen zu haben, dass er hier ein Feind war.
    Vergessen? Konnte man das wirklich vergessen? Oder wollte er es einfach nicht wahrhaben?
    Ich weiß nicht, wie oft mir in diesen Monaten das Herz verrutschte, wenn Friedrich mal wieder völlig harmlos in eine prekäre Situation hereinplatzte. Spürte er denn die angespannte Stimmung nicht? Merkte er nicht, wie viel Angst und unausgesprochene Feindseligkeit hier noch immer zu Hause waren? Es richtete sich nicht gegen ihn persönlich, das verstand ich wohl, aber es richtete sich gegen sein Volk, gegen seinen Führer und dessen Wahnsinn.
    Es war im November, die Dunkelheit und der Schnee hatten längst Einzug gehalten, als endlich die befreiende Nachricht kam. Friedrichs Urlaub war genehmigt worden.
    »Ole. Wir fahren nach Hause, ist das nicht schön?«
    Ja. Das ist sehr schön. Du glaubst gar nicht, wie erleichtert ich bin.
    »Du glaubst nicht, wie froh ich bin! Ich hatte solche Sorge, dass man mir den Urlaub sperren würde.«
    Er nahm mich in die Hände, sah mir in die Augen und

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