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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Vigdis Juliussen zur Seite, und der Anblick war präzise und schön. Weder der Vorfall noch der Korken im Darm waren die Todesursache gewesen, auch nicht eine Schrumpfleber oder ein zu heftiger Herzschlag. Ich sah es augenblicklich. Im Schatten der Gebärmutter lag ein Fötus, mumifiziert, wahrscheinlich im siebten Monat, und er ähnelte deshalb einem Menschen. Dieser Fötus hatte schließlich, weil er sich langsam, aber sicher verschoben hatte, einen massiven, umfassenden Blutpfropf verursacht. Das tote Kind nahm seiner Mutter das Leben. Vigdis Juliussen war ein Grab, nein, eine Pyramide, mit einem Pharao in ihrer Tiefe. Ich nähte sie wieder zu, warf Regenmantel und Handschuhe in den Müllschlucker, das Gleiche tat ich mit der vertrockneten Rose aus dem Knopfloch, spülte das Besteck ab und war auf dem Weg hinaus. Da kamen mir Zweifel, und Zweifel sind für uns Kantige unerträglich. Ein Schritt vor, einer zurück, zwei Schritte vor, drei zur Seite. War es nur ein unschuldiges Fibrom, das in der Gebärmutter lag und diese Embolie verursacht hatte, und nicht ein Fötus? Ich war bereits auf dem Weg zurück zu Vigdis Juliussen, um sie erneut zu öffnen, und ein für allemal festzustellen, was die Todesursache gewesen war, mit dieser Ungewissheit hätte ich nicht leben können. Es war mein Hochzeitstag. Da spürte ich, dass etwas in einer meiner Taschen lag. Es war eine fröhliche Nachricht von meinen Zechbrüdern, meinen Freunden und Kollegen, ich nehme an, es war die Handschrift des Laboranten, denn sie war sehr viel deutlicher als die eines Arztes, es war sogar lesbar: Herr Hohl wie eine Kokosnuss jr. wir müssen alle das für uns passende Element finden. Das Rezept für die black drops ist ganz einfach: Ein Drops ist Unterhaltung, zwei sind Schlaf, drei oder mehr sind der sichere Tod. Wenn du in der Lage bist, das zu lesen, hast du mit anderen Worten nur einen intus, oder zwei, je nachdem, wie man es sieht. Wir wünschen dir Glück, wenn du nun bald deine absolute Freiheit verlierst und in den unerbittlichen Ketten des Hymen landen wirst. Viele Grüße, die Bierstube, der runde Tisch. In der anderen Tasche lag ein rotes Etui, ohne Etikett, mit acht ovalen Tabletten, diesen sogenannten black drops. Mit ihnen war nicht zu scherzen. Ich machte meinen ersten Salto rückwärts. Eine Ohrfeige! Mauvais sujet! Herr Hohl wie eine Kokosnuss junior! Ich zerriss den Zettel in 47 Stückchen, warf sie in den Abfluss, behielt aber die Tabletten. Lebe wohl, Vigdis. Endlich fand ich hinaus, glücklicherweise inkognito, aber es herrschte ja nicht gerade Riesenandrang rund um die Mäusehalle im Rikshospital. Leider schien die Sonne und brannte mir in die Augen, so tief stand sie. Die Bäume in der Pilestredet warfen immer noch ihre Blätter ab. Die Straßen waren so still, wie sie nur an einem Sonntag sein können. Ich, der Einzige in der Stadt, stürmte zum Egertorget, und Frau Bye persönlich stand in der Rezeption.
    Ich lag ausgetrocknet über dem Tresen und konnte kaum reden.
    »Wie geht es Notto Fipp?«
    Frau Bye musterte mich.
    »Viel, viel besser als Ihnen«, sagte sie nur.
    »Kann ich, darf ich um ein einfaches Glas bitten, ich meine, ein Glas Wasser?«
    Frau Bye gab mir ein Glas Selters, ich wandte mich ab, schob die Hand in die Tasche, fand einen Drops und schluckte ihn hinunter, während ich trank. Sollte ich etwa dem Laboranten nicht vertrauen, der behauptete, dass ein Drops Unterhaltung sei? War das nicht ein Tag der Freude? Ich konnte ebenso gut noch einen Drops schlucken. Doppelt so viel Freude.
    Ich gab das leere Glas zurück.
    »Er hockt immer noch auf seinem Zimmer«, sagte Frau Bye.
    »Ist er nicht einmal unten gewesen?«
    »Wie gesagt, er ist auf seinem Zimmer.«
    Ich beugte mich vor, und sie lehnte sich zurück.
    »Darf ich Sie um noch einen Gefallen bitten? Dass Sie Alfred Melingen in Cochs Herberge anrufen und ihn bitten zu warten, bis wir kommen?«
    Frau Bye nickte.
    Ich nahm die Treppe zu Notto Fipps Zimmer in vier Schritten, öffnete die Tür, ohne anzuklopfen, und der Anblick, der sich mir bot, rührte ganz einfach zu Tränen. Ich blieb auf der Schwelle stehen, wie gelähmt, weinend, brachte kein Wort heraus. Notto Fipp saß auf dem Bett, so wie ich ihn verlassen hatte, in voller Montur, Frack, Schleife, alles zusammen, klipp und klar, und starrte vor sich hin.
    »Aber Notto«, flüsterte ich.
    Er gab keine Antwort und sah mich auch nicht an.
    Ich trat näher heran.
    »Sitzt du so, seit ich gegangen

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