Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
Pfarrers lauschte.
Und mir graute, mir graute es vor dem, was ich sagen musste, nicht vor dem Ja, das war ein Klacks, sondern dass die Hochzeitsreise leider verschoben werden musste, weil ich stattdessen am nächsten Morgen Notto Fipp nach Kristiansand fahren und ihm dann nach Oslo und zurück folgen wollte.
Sigrid schielte wieder zu mir.
»Dein Mundgeruch ist einfach schrecklich.«
Ich holte ein Drops hervor, sammelte alles, was ich an Spucke und Mundfäule im Mund hatte, denn ich war wieder vollkommen trocken geworden, ich saugte allen Zunder vom Gaumen, schluckte die schwarze Ruhe hinunter, und plötzlich kam ich durcheinander mit dem Zählen, ein Drops war Unterhaltung, zwei waren Schlaf und drei, was waren drei? Drei waren dreimal drei Hurrarufe! Mein Tröiedüs, sagte ich und küsste meine Braut.
»Schon besser«, flüsterte sie.
Hoppsa! Hallo!
Das war wirklich besser. Ich war augenblicklich beschwipst und sanft in den Ecken und Kanten, ja, sanft in den Ecken und Kanten, und ich wusste, dass das zur Gewohnheit werden konnte, ein Hunger, heftiger und intensiver als sonst, hatte ich ihn nicht gesehen, den Hunger? Ich sehe ihn jeden Tag. Er steht in meinem bescheidenen Büro und bittet um Gnade.
»Willst du, Bernhard Hval, diese …«
»Ja!«, rief ich.
Sigrid Juell bekam die gleiche Frage, nur umgekehrt, ob sie mich haben wollte, und es gab kein Nein in ihrem Mund. Dann waren da die Ringe, sie passten, die runden Ringe, wie ich bereits gesagt habe, es lief wie geschmiert, und Sigrid hob den Schleier, und wir küssten uns, ein leichter, flüchtiger Kuss, wie es sich gehörte, aber ich bekam Lust, ihre Lippen hier und jetzt mit der Zunge zu öffnen. Sigrid riss sich los, mit einem Lächeln, ja, ich glaube, es war ein Lächeln, das bedeutete, warte, mein Stutenprinz, warte nur, denn heute Nacht, da gibt es wieder Orgeln und Jubel, und dann mussten wir spießrutenlaufen zwischen den Familienmitgliedern hindurch, und draußen auf der Kirchentreppe standen die Blumenmädchen und warfen Reis, die Lokalpresse machte Fotos, und dann ging es ab ins Holzfällerschloss. Der Tag war bereits kühl, aber mit klarem, fast gelbem Licht über den Wäldern und dem Fluss. Es ähnelte geradezu dem Wetter in mir, nicht gelb, sondern schwarz und kühl. Die Ecken und Kanten kamen bald wieder zum Vorschein, und sie waren nicht mehr sanft. Es war nur eine Frage der Zeit. Und darf ich trotz allem als Arzt feststellen, dass das Warten auf Schmerzen ebenso schlimm ist, wenn nicht noch schlimmer, als sie zu erleben. Der Champagner wurde übrigens in der Halle mit den Treppen serviert. In dem riesigen Kamin war ein Feuer entzündet. Ich musste alle begrüßen, von Drammen bis hoch nach Bø und wieder hinunter nach Holmestrand. Wir waren ein schönes Paar, Sigrid und ich. Das sagten alle. Ich schaute nach Notto. Er stand in einer Ecke, dort, wo wir Kantigen hingehören, mit einem Glas in der Hand, während ein Kellner dabei war, ihm Champagner einzuschenken. Jedenfalls waren seine Hosenträger wieder an Ort und Stelle. Ich ließ Sigrid stehen und eilte zu ihm.
»Mein Trauzeuge zieht Milch vor«, sagte ich.
Der Kellner schaute mich an.
»Milch?«
»Ja. Wenn es keine Umstände macht. Gern auch fettarme Milch, wenn Sie nichts anderes haben.«
Der Kellner glaubte natürlich, wir würden scherzen.
»Milch im Champagnerglas? Wollen Sie nicht lieber Eispunsch?«
»Milch im Champagnerglas! Das passt ausgezeichnet. Ist das möglich, bevor wir anderen ausgetrunken haben?«
Der Kellner verschwand. Dafür gesellte sich Tora zu uns. Ich hatte ganz einfach vergessen oder übersehen, sie in gebührender Weise Notto Fipp vorzustellen.
»Notto Fipp«, sagte ich und deutete mit der Hand auf ihn, als gäbe es diesbezüglich irgendeinen Zweifel, drehte die Hand und sagte Toras Namen, Tora Gulbrandsen.
»Heißt du wirklich so?«, fragte Tora.
»Den Namen Notto habe ich nach meinem Vater, aber Fipp habe ich mir zum Glück selbst aussuchen können.«
Tora nickte und schaute zunächst auf seinen Bart, dann auf das leere Glas.
»Hast du nichts zu trinken, oder trinkst du so schnell?«
Ich suchte fieberhaft nach einem Zugang zu diesem Gespräch, so dass ich es unterbrechen konnte.
»Ich komme schon zurecht«, sagte Notto Fipp.
Ich komme schon zurecht! Hört lieber auf Notto Fipps Stimme und nicht auf meine.
Doch Tora ließ nicht locker.
»Und was treibst du so, Notto, wenn du nicht Bernhards Trauzeuge bist?«
»Er ist gerade erst von einer
Weitere Kostenlose Bücher