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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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weniger auf meinem Teller.
    »Habt ihr keine Kinder?«, fragte ich.
    Ich hätte mir die Zunge abbeißen können. Ach, ich hätte mir den Mund abbeißen können.
    Alma schüttelte den Kopf und wechselte dabei jedes Mal die Farbe, als wenn die eine Wange grau und die andere strahlend weiß gewesen wäre.
    »Hast du Lust, hinterher mit mir hinzugehen?«
    »Wohin?«
    »Na, in den Wintergarten natürlich. Du bist wohl etwas zerstreut, was?«
    »Natürlich. Außerdem mag ich grüne Pflanzen sehr, sehr gern.«
    Doktor Lund schlug an sein Glas. Gott sei Dank. Er war immer noch da und wollte etwas sagen:
    »Ab kommendem Herbst bin ich nicht mehr an der Universität. Ich werde zurück zum Rikshospital gehen, wo ich derzeit meine Karriere begonnen habe. Aber jetzt als Direktor.«
    Alma klatschte in die Hände.
    »Stimmt das?«
    »Natürlich stimmt das, meine Liebe. Ich werde der Direktor des größten Krankenhauses von Norwegen sein.«
    Und Doktor Lund errötete über diesen Worten, die ein Lob sein konnten, das ist das einzige Mal, dass ich erlebt habe, wie er die Kontrolle verlor, nicht einmal, als er Alma und mich auf frischer Tat im Wintergarten erwischte, verlor er sie, oder als er auf meiner Hochzeit eine Rede hielt, auch wenn es damals kurz davor war.
    Alma gab ihrem verlegenen Mann schnell einen Kuss auf die Stirn.
    »Dann will ich auch ein winzig kleines Bier trinken! Bernhard, willst du …«
    Doktor Lund unterbrach seine Ehefrau, dankbar für diese Möglichkeit, wieder er selbst zu werden.
    »Bernhard schwört auf Wasser«, sagte er.
    Alma lief hinaus in die Küche und kam mit einem Glas zurück, aus dem der braune Schaum fast überlief und auf ihre Finger tropfte.
    Wir stießen auf Doktor Lund an, auf Direktor Lund.
    »Trahunt fata nolentem«, sagte ich.
    Alma stieß mich am Arm an.
    »Jetzt hör auf, Bernhard. Wir sind per Du hier im Haus.«
    War sie pirium?
    Aber Lund ließ mich nicht aus den Augen.
    »Der Tatort? Was meinst du? Was ist das für ein Gerede?«
    Ich schaute zum Wintergarten.
    »Dort wurde ich geboren«, sagte ich.
    Lunds Stimme kam näher, hart und belehrend.
    »Ein Tatort ist ein Ort, den man untersucht, wenn ein Verbrechen begangen wurde.«
    »Das ist es, was ich meine.«
    »Du darfst die Begriffe nicht durcheinanderbringen, Bernhard. Das kann Folgen haben. Ein Kreißsaal ist das Gegenteil von einem Tatort. In einem Kreißsaal geschehen Wunder.«
    »Aber sollte man Wunder nicht auch untersuchen, als Wissenschaftler, die wir sind?«
    Alma schwieg während dieses Disputes und trank lieber ihr Bier aus, gern hätte ich das Gleiche getan, wenn ich denn Bier in meinem Glas gehabt hätte.
    »Ich habe deinem Vater versprochen …«
    Ich unterbrach Lund.
    »Wie Sie wissen, ist mein Vater tot.«
    »Ich habe deinem Vater damals versprochen, ein Auge auf dich zu haben. Falls etwas passieren sollte.«
    Ich stellte mein Wasserglas ab.
    »Falls etwas passieren sollte?«
    »Deshalb bist du jederzeit willkommen, mich aufzusuchen, Bernhard.«
    Alma drehte sich zu uns um.
    »Und natürlich bist du auch bei mir genauso herzlich willkommen«, sagte sie.
    Ich sollte eigentlich nicht mehr über diesen ersten Sonntag bei den Lunds in der Pilestredet erzählen, vielleicht auch nicht über meine weiteren Besuche, aus Rücksicht auf alle. Ich war 21 Jahre alt. Auf dem Heimweg ging ich im Cochs Pensjonat im Hegdehaugsveien vorbei und fand Alfred Melingen, meinen Chauffeur, in seinem Zimmer im zweiten Stock. Er gehörte nicht zu den Leuten, die große Gefühle offen nach außen trugen, aber umso deutlicher nach innen.
    »Willkommen«, sagte er.
    »Such deine Uniform und putze den Roadster. Und hol mich um acht Uhr ab!«
    Am nächsten Morgen stand Alfred Melingen mit dem blankpolierten Roadster im Skovveien bereit. Er erregte Aufmerksamkeit. Kinder, die in die Uranienborg-Schule wollten, umringten uns. Ich musste sie beiseiteschieben, eines nach dem anderen, welch ein Trubel, und setzte mich dann auf den Beifahrersitz, mit der Aktentasche voller Notizen auf dem Schoß, und schließlich konnten wir den Drammensveien hinunterfahren. Es war immer noch in allen Richtungen herrliches Wetter.
    »Lass das Verdeck runter«, sagte ich. »Es ist Frühling!«
    Alfred drückte auf einen Knopf, und die schwarze Haube glitt langsam nach hinten, der Himmel kam zum Vorschein, und der Wind, oder die Geschwindigkeit, diese herrliche Fahrtgeschwindigkeit, zerrte an meinen Haaren. Ich lachte! Einen Moment lang wiegte ich mich im Glück.
    »Sie

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