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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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diese glatte, ganz gewöhnliche Stirn dieses Mannes mittleren Alters. Aber ich durfte es nicht.
    »Nein!«, rief er.
    Und Jacob sah mich mit einer Trauer an, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Und ich habe schon so einiges gesehen. Doch das nicht. Gleichgültigkeit wäre besser gewesen, Wut auch. So wie er sich gestern aufgeführt hatte, hatte er mir besser gefallen.
    »Entschuldigung«, flüsterte ich.
    Eine Weile stand er zögernd da. Ich auch. Wir zögerten.
    »Ach, ich habe Ihnen übrigens das hier gekauft«, sagte er schließlich.
    Er streckte die Hand vor, nicht um zu grüßen oder sich zu verabschieden, sondern um dieses Geschenk zu überreichen.
    Dann drehte er mir schnell den Rücken zu und ging.
    Als ich mich endlich wieder gesammelt hatte, sah ich, was es war. Ein Farbband. Ich schaffte es kaum, es an seinen Platz in der Schreibmaschine zu befördern. Es funktionierte. Und wenn du, lieber Jacob, das liest, oder vielleicht jemand anderes, dann weiß ich, dass ich, wenn mir schon nicht vergeben wurde, so zumindest nicht vergessen bin.

DER WETTKAMPF
    Kongens Nytorv, vierter Juni, kurz vor zwölf Uhr, die Banane gegen das Steak: Mehrere hundert Menschen waren zusammengekommen. Nyhavn entlang und auf den Kais standen schwedische Seeleute, die meisten bereits betrunken, und schlugen auf Blechteller. Welch Leben und Treiben! Nicht ein Fensterplatz war noch frei im d’Angleterre. Norwegische und dänische Flaggen wehten. Das Wetter war tadellos, wenn es nur nicht heißer wurde. Journalisten und Fotografen aus dem ganzen Norden waren einzig und allein hergekommen, um dem Start beizuwohnen. Notto selbst war etwas beschämt über all den Aufwand. Musste man so ein Wesen davon machen? Sie wollten doch nur nach Oslo gehen? Da hatte man Notto Fipp, wie er leibte und lebte. Die Journalisten machten sich eifrig Notizen. Jedes Wort, das er sagte, war als Überschrift zu gebrauchen. Aber Sorgen machte mir, dass er etwas unsicher wirkte nach der anstrengenden Zugreise durch Schweden, und wie gesagt, war er ohne Zeitgefühl, wir hatten ja die Nacht zum Tag gemacht, vielleicht hatte ich zu spät damit angefangen. Doch ich konnte Notto Fipp beruhigen, oder vielleicht in erster Linie mich selbst, indem ich ihn ganz einfach bat, einen Blick auf seinen Gegner, Sigurd Bernt alias das Steak, zu werfen, der bereitwillig auf dem roten Teppich vor dem Hotel posierte. Er war breit und füllig, hatte eine Zigarre im Mund, auf der er laut vernehmlich kaute, und war ansonsten in einen dunklen Anzug mit Weste und Goldkette gekleidet, Knickerbocker, Baskenmütze und glänzendes Schuhwerk, das eher für den Tanzboden als für die Landstraße geeignet zu sein schien. Außerdem benutzte er einen Spazierstock, auf den er sich in regelmäßigen Abständen stützte, obwohl er doch noch still stand, er war 24 Jahre alt, ein Lebemann und arbeitete im Büro. Welch pathetische Erscheinung! Ich schätzte sein Gewicht auf 120 Kilo, vielleicht mehr, fast das Doppelte von Notto, aber das sprach, rein fachlich gesehen, nicht unbedingt gegen ihn. Das Steak hat Fett, von dem er unterwegs zehren kann. Er darf auf keinen Fall unterschätzt werden, auch wenn er in keiner Weise aussieht wie ein Sportler. Ich muss derweil auf Nottos Geschick, Erfahrung und Willen vertrauen. Das Steak bekam noch ein großes Glas Bier in die andere Hand gedrückt. Diese Dänen.
    »Er ist nicht mein Gegner«, sagt Notto. »Er ist mein Kumpel.«
    Wieder eine Schlagzeile:
    Wir sind Freunde, keine Feinde.
    Notto trug seine übliche Tramperkluft, Regenschirm, lockere Kleidung, ein Bündel Bananen um den Hals, eine Milchflache und andere notwendige Utensilien in seiner Wandertasche, abgesehen davon hatte er sich statt des Strohhuts eine kleine Jockeymütze angeschafft, was ich versucht hatte, ihm auszureden, sie warf nicht genügend Schatten, aber vergeblich.
    Die Gegner, ich meine, die Kumpel, schüttelten sich die Hände.
    Ich weiß nicht, was sie sagten, sie wurden sofort von diesen Schnüfflern umringt.
    Ich begrüßte den königlichen Hoflieferanten. Er hatte sich auch eine Zigarre angesteckt, als feierten die beiden den Sieg bereits im Voraus, hole ihn der Teufel, diesen jämmerlichen, gelb gekleideten Hagestolz, das hätte ich sagen sollen, ja, ich hoffe, dass Sie und Ihr sogenanntes Steak in ein tiefes Loch fallen und dort eine Weile bleiben, und das hätte ich ihm direkt ins Gesicht sagen sollen.
    »Wir sind Kumpel, keine Gegner«, sagte ich.
    Der Blumenbinder lachte laut und

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