Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
Fach verwehren? Sie könnten beispielsweise etwas über die neue Rassenhygiene erzählen. Ich nehme an, dass Sie mit diesem Thema vertraut sind.«
Aber absolut! Ich war ein Ass in Rassenhygiene! Schließlich musste ich mich fügen.
Ich möchte nur noch hinzufügen, dass Sigrid es mit aller Macht versuchte zu verhindern, doch ach, vergebens. Quisling hatte mir einen Befehl erteilt. Ich nahm seinen Platz ein, während er in der Tür stehen blieb, mit verschränkten Armen. Ein paarmal in die Dettweiler gespuckt, und ich war bereit. Ein sonderbarer, in die Vergangenheit gerichteter Gedanke kam mir: Warum dankte er mir nicht? Warum bedankte er sich nicht bei mir dafür, dass ich seine Haut gerettet hatte, was den sogenannten Überfall im Büro des Staatsrats betraf? Dann hätte ich die Gelegenheit gehabt, ihm zu sagen, dass es keinen Grund gab, sich zu bedanken. Außerdem hätte ich Quisling gern gefragt, warum er nicht sofort die Polizei alarmiert hatte, sondern stattdessen nach Hause gefahren und sich ins Bett gelegt hatte, so dass der Vorfall erst spätabends angezeigt wurde, und zwar von jemand anderem, nämlich einem Hauptmann im Generalstab, Adolf Fredrik Munthe? Brauchte es so lange Zeit, sich zu besinnen? Und könnte er freundlicherweise erklären, warum es nicht eine einzige Spur des Angreifers oder der Angreifer gab? Nichts ist so verdächtig wie fehlende Spuren. Ich hätte diesen undankbaren Vomitiv festsetzen und nicht freilassen sollen! Ich hätte die Geschichte verändern können! Ich spuckte in die Dettweiler und war bereit:
»Meine sehr verehrten Damen! Und Herren! Es ist mir eine Freude, Ihnen einen Abriss der täglichen Arbeit im Rikshospital zu geben, wo Leben und Tod, Trauer und Freude, Schmerzen und Linderung stets Hand in Hand gehen. Und vielleicht gibt es noch obendrein etwas Rassenhygiene dazu!«
Das war, wenn ich es selbst sagen darf, eine außergewöhnlich vielversprechende Einleitung. Die Damen, abgesehen von Sigrid, beugten sich vor, wie sie sich dem vorherigen Redner entgegengebeugt hatten. Ich fuhr fort:
»Heute Morgen gebar eine junge Frau ein Kind, einen Jungen, die Geburt ging problemlos vonstatten, und kann man Zeuge eines größeren Wunders sein, als zu sehen, wie ein Mensch zur Welt kommt, ganz gleich, wie wenig wunderbar diese Welt auch sein mag?«
Bis auf Sigrid und Quisling applaudierten alle, und zwar voller Begeisterung. Quisling wurde geradezu neidisch, verschränkte seine Arme immer fester vor der Brust, als wäre er seine eigene Zwangsjacke. Rein fachlich gesehen ist das durchaus möglich. Invidia, die vierte Todsünde, war ein Teil seiner Frisur. Und ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn ich ihn etwas auf meine bescheidene Art und Weise hätte quälen können.
Dann fiel mir plötzlich ein, aus welchem Grund auch immer, vielleicht lag es an Sigrids schwarzen Augen, die ich kaum jemals dunkler gesehen hatte, dass das meine dritte Rede war. Ich hatte bei der Studentenfeier in der Aula der Universität gesprochen, ich hatte auf meiner eigenen Hochzeit gesprochen, und jetzt sprach ich in meinem eigenen, besetzten Haus, zu Quisling und seiner schönen Anhängerschar. Wann würde es dieses Mal schiefgehen, wann würde ich »Schwanz im Riesenrad« sagen oder Dinge, die noch schlimmer waren? Ich glaube, Sigrid wartete fast voller Vorfreude darauf.
Ich trampelte.
Es wurde wieder still.
Ich konnte fortfahren.
»Der Junge erschien gesund und wohlgestaltet, schrie klar und laut, doch als wir ihn umdrehten, entdeckten wir, dass auf der anderen Seite des Kopfes noch ein Gesicht vorhanden war. Wir hatten es also mit einem echten Janus zu tun. Die Chance dafür liegt bei eins zu einer Million, vielleicht ist sie noch geringer. Das Kind hatte also zwei Gesichter. Eines auf jeder Seite.«
Es wurde noch stiller, doch es war eine andere Art von Stille, eine Stille, die sich nicht vorbeugte, sondern die sich zurückzog. Und ebenso plötzlich wusste ich, dass es dieses Mal nicht auf die gleiche Weise schiefgehen würde wie vorher. Mein lapsus linguae sollte ganz einfach die Lüge sein, die Lüge im Dienste des Guten, und deshalb war sie auch kein Versprecher. Ich war nie ruhiger. Die Lüge war jetzt mein heftigster Zwang.
»Und die Mutter? Was hat sie gemacht, als sie ihr Kind gesehen hat? Sie küsste es auf alle vier Wangen und liebte es doppelt so sehr. Wir wurden Zeugen eines weiteren Wunders. Nämlich das der unbedingten Liebe.«
Eine der Damen flüsterte so laut, dass es alle
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