Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
baute stattdessen eine noch größere auf Lilleaker, nicht weit von der Stadt und nahe am Meer. Darüber wurde sogar in der Aftenposten berichtet. Hvals Nadeln & Industrie wurde zu Hvals Industrien. Vater rahmte sich das Foto von sich selbst vor dem riesigen Gebäude ein, aus dem gerade einige Arbeiter, mit dunklen Gesichtern und weißer Stirn, hinausgehen wollen, durch das breite Tor direkt hinter ihm. Sie bleiben stehen, wollen umkehren, wie es scheint, und wieder hineingehen, was sie jedoch nicht schaffen, bevor das Foto geschossen wurde. Irgendwie vermisste ich die Nadeln. Mir gefiel der Gedanke, dass mein Vater die kleinsten Werkzeuge herstellte, die es gibt, Nadeln, die für Kleidung, Menschen, Tiere benutzt werden konnten, ja, überall waren sie von Nutzen, aber Vater wollte Größeres. Nadeln waren nicht genug. Jetzt ging es um Kabel, Trossen, Ketten, Walzen. Waren es etwa keine guten Zeiten? Hatte der Ministerpräsident Knudsen nicht gesagt, dass der Himmel wolkenlos ist? War es nicht herrlich, in einem Land zu leben, in dem der Ministerpräsident sagt, der Himmel ist wolkenlos, mit anderen Worten, nur immer frisch gewagt. Ich glaube, da habe ich meinen Vater erkannt. Es war nicht der Reichtum oder Überschuss an sich, der ihn antrieb. Luxus war nur etwas Angenehmes und Unnützes, das sozusagen mitgeliefert wurde. Und was seinen eigenen Lebensstil betraf, so war er genügsam, fast asketisch, abgesehen von einigen wenigen Ausschweifungen, eine außergewöhnlich teure Flasche Wein zum Essen, ein Auto, das damals ein Vermögen kostete, Champagner im Garten an einem Sonntag. Er war niemals geizig, im Gegenteil, er war sehr großzügig. Es gab eher etwas in Vaters Wesen, tief darin verborgen, das ihn antrieb. Mit anderen Worten: Auch mein Vater hatte seinen Zwang. Doch es war ein zielgerichteter, umrissener und tadelloser Zwang. Der etwas abwarf. Vater war eine Stütze, ein beispielhafter Bürger. In der naseweisen Reportage in der Aftenposten sagte er, dass sein Ziel in erster Linie sei, das Land aufzubauen und Arbeitsplätze zu schaffen, er selbst komme erst an zweiter Stelle. Er hatte ein Projekt, eine Mission. Kann schon sein. Auf jeden Fall klang es toll, und könnte ich doch das Gleiche mit der gleichen Überzeugung von meinen Widerwärtigkeiten sagen. Aber tief in seinem Inneren war er ein Spieler, ein Zocker, der nie zufrieden war mit dem, was er in seinen Händen hielt, und der immer weiter nach oben strebte. Er investierte, verkaufte, lieh, tauschte, riss nieder und reiste. Er schmückte sich mit schönen Phrasen, da war er nicht bescheiden, und ihm wurde geglaubt. Doch er war nur ein verlogener Kapitalist, so wie es die meisten Kapitalisten sind, verlogen und unentbehrlich. Und ist das nicht eigentlich das Gleiche, so lange es gut geht? Es waren die Risiken , sie waren Vaters Kern. Es waren die Risiken an sich, die so eine magnetische Kraft auf den ansonsten so nüchternen Mann ausübten. Ein Risiko war dazu da, eingegangen zu werden. Und die Risiken führten ihn dorthin, wo alles enden sollte.
Hohl wie eine Kokosnuss!
Ein Toast auf Hvals Industrien !
Vater hob sein Glas, und es war ein ganz gewöhnlicher Dienstag, es war Herbst, die feuchte Dunkelheit drückte sich gegen die Fenster, und die Uhr ließ sieben scharfe Schläge ertönen, ich konnte es in den Füßen spüren.
Mutter ihrerseits:
»Können wir nicht ausnahmsweise einmal am Tisch nicht von Geschäften reden?«
Vater stellte sein Glas ab.
»Ich rede nicht von Geschäften.«
»Aber ich bin der Meinung, dass du es gerade getan hast.«
»Ich sprach einen Toast auf unseren Betrieb aus.«
»Kannst du nicht ausnahmsweise einmal etwas anderes finden, auf das wir anstoßen können?«
Es sah aus, als würde Vater gründlich nachdenken, vielleicht saß er auch nur da und verfluchte uns alle.
Die Haushaltshilfe, es war wohl dieses Mal Ingrid, lautlos und flink wie alle anderen vor ihr, kam mit den Speisen herein und verschwand wieder.
»Worauf denn?«, fragte Vater.
Mutter verdrehte die Augen.
»Worauf was?«
»Sollen wir vielleicht auf die Haushaltshilfe anstoßen? Wie heißt sie noch? Sara? Borghild? Ich komme bei all diesen Namen noch ganz durcheinander.«
Mutter überhörte seine Kritik und senkte den Blick.
»Schau dich um, Oscar. Gibt es nichts anderes im Leben, auf das wir trinken können, als der Betrieb?«
»Gäbe es nicht die Betriebe, könnten wir nicht hier sitzen und uns zuprosten, meine Liebe.«
»Und was glaubst du, wo
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