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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Christiania am 21. August 1847. Unter unserer Hand und dem Siegel des Reiches.«
    Vater verstummt und ist kurz davor, sich vom Sitz zu erheben.
    Goten und Wenden!
    Mutter wird ungeduldig.
    »Nun komm schon zur Sache«, sagt sie.
    Vater kommt gern zur Sache:
    »Der Industrieverband hat mich für Den Königlichen Norwegischen St.-Olavs-Orden Ersten Grades vorgeschlagen. Für meinen Einsatz für das Beste des Landes. Ich habe akzeptiert.«
    Eine ganze Weile lang ist es still.
    Schließlich fragt Mutter:
    »Akzeptiert? Heißt das, dass du ihn kriegst?«
    Ich glaube, Vater würde diesen Moment gern in die Länge ziehen, diesen Augenblick, so lange, dass er ewig währt oder sich abgehoben von allem befindet, wie ein Flügel im Leben, den wir besuchen können, wann immer wir wollen. Doch das geht nicht. Das ist unmöglich. Aber noch hält der Augenblick an, während wir im Himmel über Oslo parken.
    »König Haakon hat im Staatsrat zugestimmt. Ich bin Kommandeur von St. Olav, Ersten Grades.«
    Alfred lässt zweimal die Hupe ertönen und einmal das elektrische Signal.
    Oh, Fährmann! Oh Mephitis’ Gestank und upper ten!
    Hammer ist tot! Es lebe Hammer!
    Höher als jetzt konnten wir nicht mehr kommen. Dann hätten wir auf den Sprungturm auf dem Holmenkollen klettern müssen, und das erschien uns nicht notwendig. Mit anderen Worten: Ab hier gab es nur noch einen Weg, und der führte nach unten. Sie können gern eine Weile mitfahren, Station für Station, da Sie ja schon so lange dabei sind. Wir, oder vielmehr Vater, hielt uns noch eine Weile über Wasser. Erfolg hat seine eigene Kraft. Sie wirkt noch, selbst wenn er vorbei ist. Es geht nur immer langsamer. Dann wirft der Erfolg einen Schatten, der zur Verwechslung einem grellen Licht ähnelt. Plötzlich hatte ich viele Freunde an der Schule, die eine Chance sahen, im Auto mitfahren zu dürfen. Das geschah ihnen nur recht. Alfred erhielt eine maßgeschneiderte Uniform mit Epauletten und acht glänzenden Knöpfen, vier auf jeder Seite, von Franck im Bogstadveien, doch den einen Schuh des Schmieds, den behielt er an, des Gleichgewichts wegen. Mutter ließ eine Haushaltshilfe länger bei uns bleiben als üblich, sie hieß Signe, und Mutter kam mit ihr, einer freundlichen, etwas wortkargen Frau aus Halden, ein paar Jahre älter als die vorherigen Haushaltshilfen, gut zurecht, und das war Mutter ja auch geworden, ein paar Jahr älter, und über Signe war nichts weiter zu sagen, außer dass sie Mutters Nachtigallenfreuden mit Freuden teilte, sie fanden einander, so kann man wohl sagen, und standen darüber, sie waren wohl beide mondsüchtig, ja, das auch. Ich kann das auch als mein oder sogar als das Motto aller Kantigen unterstreichen: das Darüberstehen. Wir standen über unseren Dingen. Vaters Geschäfte und Ehrungen machten ihn immun gegen den Virus der Gerüchte und jede soziale Ansteckung, das glaubten wir fast bis zum Schluss. Er wurde also zum Kommandeur von St. Olav ernannt. Das ging so vor sich: Die Zeremonie fand in der Fabrik statt, in einer der Hallen. Die Arbeiter bekamen eine Stunde frei, die Räder standen still, ja, es war ein Ausnahmezustand sondergleichen. Vater hatte ein Podium zwischen den Maschinen errichten lassen. Zwei Repräsentanten des Schlosses waren anwesend, der Kanzleivorsitzende und der Adjutant. Der Kanzleivorsitzende las zunächst die Begründung. Vater war ein Wegbereiter. Vater war ein Visionär. Vater übernahm Verantwortung. Ohne solche Männer würde Norwegen stillstehen. Vater war der Fortschritt in eigener Person. Vater schuf Arbeitsplätze. Vater hinterließ Spuren. Oh, diese Spuren! Die Arbeiter applaudierten, und das taten sie mit einer Aufrichtigkeit, die nicht misszuverstehen war. Sogar der Schmied klatschte in seine gewaltigen Hände und rief Hurra, und er zog den Rest der Belegschaft gleich mit sich: dreimal ein dreifaches Hurra für Oscar Hval! Mutter und ich waren auch zugegen. Ich war an diesem Tag sehr stolz auf Vater, und ich glaube, Mutter war es auch. Vielleicht war das der schönste Augenblick, den wir zusammen erlebten. Wir waren größer als wir selbst und konnten alles Kleinliche zur Seite legen. Ich knirschte nicht einmal mit den Zähnen. Ich war genauso ruhig wie die Fabrik. Und besonders im Nachhinein sehe ich die Größe darin, oder die Demut, was ja oft auf das Gleiche hinauslaufen kann, nämlich darin, dass er diesen Moment mit seinen Arbeitern teilen wollte, vielleicht hatte er aber auch andere Gründe. Dann bekam

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