Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
kann ich um den Hals tragen.«
»Das ist notiert.«
»Und du darfst nie näher als fünfzig Meter an mich heranfahren.«
Ich schrieb weiter an der Liste, die bald voll war.
»Das ist auch notiert. Du sollst es so haben, wie du es haben willst, Notto Fipp.«
»Nenn mich Notto«, sagte er plötzlich.
»Und du mich auch. Ich meine, Bernhard. Damit wir nicht von den Nachnamen irritiert werden und unnötige Zeit mit ihnen verschwenden.«
Und er wollte sogar noch ein Glas Milch. Das ging wie geschmiert. Das verhieß nur Gutes, wenn es nur nicht zu viel Flatulenz in den bereits empfindlichen Gedärmen schuf. Es ist immer abzuwägen zwischen dem Heilenden und dem Schädlichen, dem Stärkenden und dem Schwächenden. Das ist die haarfeine Waage der Medizin. Gesundheit ist nicht das Gleiche wie Glück. Aber eine Krankheit ist nur selten zu etwas gut. Das ist nur die Ausnahme: Wir, die Kantigen, müssen einen Vorteil aus unseren Eigenschaften ziehen, aus unserem Zwang. Und genau in dieser Beziehung ging Notto Fipp als ein leuchtendes Beispiel voran.
»Noch eins«, sagte er.
»Immer heraus damit.«
»Du darfst mich nie, niemals bitten, im Auto zu schlafen. Das ist geschummelt.«
Ein weiteres Mal zeigte er mir seinen unverfälschten Willen, seinen edlen Sinn und nicht zuletzt seinen Stolz. Ich war ganz einfach gerührt und kurz davor, eine Hand auf seine zu legen.
»Das habe ich voll und ganz verstanden. Aber nur noch ein guter Ratschlag. Wenn du es als notwendig empfindest, einen Wind zu lassen, ganz gleich, wo du bist und wer in deiner Nähe steht, dann zögere nicht und halte ihn nicht zurück. Der Wind muss heraus. Ist das verstanden?«
Notto Fipp nickte.
Ich ging mit ihm zum Hotel von Frau Bye und spürte eine große innerliche Freude, als ich sah, wie leichtfüßig er in den schottischen Schuhen ging, und besonders als er im Schlosspark, zwischen der Grotten und der Karl Johan, so viel von seinem angesammelten Gas fahren ließ, dass die Gardesoldaten glaubten, es wäre Wachwechsel. Aber noch war viel zu tun. Ich fuhr heim, schloss auf, und als ich unvorbereitet und vollkommen unschuldig die Tür zu meinem Schlafzimmer öffnete, standen Sigrid und Tora da drinnen und agierten dort vollkommen eigenmächtig. Es gab Geschrei und Empörung, natürlich vollkommen übertrieben, ein Spiel fürs Publikum, und ich nahm es wie ein Mann. Ich drehte auf der Türschwelle um. Ich habe immer noch das Bild vor Augen. Sigrid probierte nämlich das Brautkleid an, und ich durfte sie nicht sehen, bevor die Zeit in der Kirche reif dafür war. Das war nämlich ein schlechtes Zeichen, verstehe das, wer will. Wir spielten schüchtern und tugendhaft. Aber sie hatten mittlerweile bereits eine Flasche Champagner getrunken, und ich konnte einen kurzen Blick auf Sigrid erhaschen, meine schwarze Braut in dem weißen Kleid. Und sie war die Allerschönste. Ja, das war sie. Aber trotz allem wurde ich fortgejagt und setzte mich in mein Arbeitszimmer, wo ich die Papiere vom Rikshospital durchlas, während ich das Gelächter der Damen hörte. Denen ging es gut. Ich fühlte mich ausnahmsweise einmal wie ein normaler Mensch, um einen Begriff von Notto Fipp zu benutzen. Und niemand schaute auf mich herab, und ich musste auch nicht aufsehen. Ich stand auf gleicher Stufe. Ich würde in genau einer Woche in der chirurgischen Abteilung anfangen. Direktor Lund selbst hatte die Einstellungserklärung unterzeichnet. Ich war der Beste meines Jahrgangs. Ich schaute auf meine Hände. Sie zitterten nicht.
In derselben Nacht, als ich dachte, Sigrid wäre schon vor langer Zeit gegangen, kam sie noch einmal zurück und legte sich neben mich, und sie hatte nicht viel vom Brautkleid an ihrem Körper.
»Graust es dir schon?«, flüsterte sie.
»Wovor?«
Das war eine außergewöhnlich dumme Frage oder Antwort, und ich erwartete das Schlimmste, doch etwas in ihrer Stimme klang anders, es gab einen Ernst darin, und ich kannte sie kaum wieder, obwohl es doch dunkel war. Es verging eine Weile in aller Stille, bevor sie sagte:
»Du zitterst.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Das ganze Bett zittert.«
»Das ist nicht wahr.«
»Wovor hast du Angst, Bernhard?«
»Fotzengulli«, sagte ich.
»Rede jetzt nicht so.«
Ich schwieg.
Wovor graute mir? Wovor hatte ich Angst? Darauf kann ich kurz und knapp antworten: vor allem.
Doch auch das stimmt nicht. Die Antwort fällt geringer aus: vor mir selbst.
Doch das sagte ich nicht.
Und ich will an dieser Stelle erneut keine
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