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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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kostbare Zeit verschwenden, um im Detail zu berichten, wie ich fast wie ein Weberschiffchen zwischen Sigrid und Notto Fipp hin und her lief. Denn ich musste ihn nicht nur wieder in Form bringen, ich musste ihm außerdem diverse Etiketten beibringen, die leider von einem Trauzeugen gefordert werden. Das geschah während unserer Touren auf Bygdøy. Notto Fipp machte Fortschritte. Ich weiß nicht, wie viel er von dem, was ich sagte, aufnahm, über Ringe, Sitzordnung, Besteck, aber zumindest konnte ich mit Freuden sehen, dass Notto Fipp dabei war, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Er ging sicher und gleichmäßig. Die schottischen Mokassins, die er immer mal wieder benutzte, taten ihm gut. Ich konnte kaum Schritt mit ihm halten. Und war irgendetwas wichtiger als das? Oh nein. Verlobe mich, solange du willst, mein Äquivok! Nun komm schon! Oh Scheiße. Sag es nur frei heraus. Acht Kilometer die Stunde waren zu schaffen, sechs Stunden am Tag, vielleicht sieben, mit anderen Worten, er würde mindestens zehn Tage für eine Tour brauchen. Das Wichtigste war jedoch nicht die Geschwindigkeit, sondern die Ausdauer, dass er mit Stil dabeiblieb. Und ein weiteres Mal musste ich jeden Stolz fahren lassen und Kneipps Methoden anwenden. Ich bat Notto Fipp, die Schuhe auszuziehen, und dort, wo es am flachsten war, entlang der Felsen draußen vor Huk, im Wasser zu gehen, anschließend kam er an Land, und ich wickelte seine Füße in Handtücher, die ich auf dem Motorblock des Autos gewärmt hatte. Das wiederholte sich vier- oder sechsmal. Dann ging es zurück zu Sigrid und den Schwiegereltern in spe. Es kam vor, dass ich stattdessen zum Krohgdenkmal hinauffuhr, dort parkte und im Wageninneren heulte und um mich schlug, schnaufte und schluckte, mit den Zähnen knirschte und die Blätter zählte, die immer mehr und mehr fielen. Ich musste es herauskriegen. Ich kriegte es heraus. Danach hieß es nur, zu warten, wann sich der Zwang das nächste Mal melden würde. Ich kann auch ein anderes Wort benutzen, wenn ich es mit dem Begriff Zwang nicht deutlich genug gemacht habe. Das Wort ist Hunger. Der Hunger! Das Gespräch zwischen uns, zwischen Sigrid und mir in der Nacht, als wir nackt nebeneinander lagen, ohne uns zu bewegen, ohne den Mund zu voll zu nehmen, hatte mir einen Schrecken eingejagt, denn ich hatte in dieser Nacht zum ersten Mal erkannt, dass ich bis über beide Ohren in sie verliebt war.
    Eine Festschrift, keine Opera buffa!
    An einem grauen, feuchten Montagmorgen Ende September fand ich mich im Rikshospital ein, und die Gebäude in der Pilestredet erschienen noch grauer als sonst. Der Nebel zog vom Fjord herein. Ich wurde von einem Krankenpfleger in die chirurgische Abteilung A geführt, durch drei Flure hindurch, die die Gebäude nahe der Nordahl Bruns gate mit einander verbanden, obwohl ich doch wusste, wo mein Arbeits platz lag, und den Weg auf eigene Faust hätte finden können. Die Einrichtung des Rikshospitals war ein Teil des Studienpensums gewesen. Ich kannte sie auswendig. Ein Arzt darf keine Umwege machen. Außerdem war ich hier geboren und hatte meinen Vater im Leichenkeller gesehen. Ich kann bei dieser Gelegenheit auch gleich etwas über die armseligen Verhältnisse sagen, unter denen wir, und nicht zuletzt die Patienten, litten. Dazu genügt es, aus den Gesetzesvorlagen Nr. 49 von 1927 zu zitieren: Die jetzigen Räumlichkeiten lassen in vielerlei Hinsicht zu wünschen übrig. Es braucht nur erwähnt zu werden, dass die Klosetts noch nach dem Latrinensystem funktionieren, geheizt wird mit riesigen alten Koksöfen, wobei die Feuerung Lärm und Staub in die Räume trägt und die Wärme äußerst schwankend ist. Wenn Kranke gebadet werden sollen, müssen sie in den Keller hinuntergetragen werden, wo es der Abteilung gestattet ist, 1 – eine – Badewanne für 60 bis 70 Patienten zu benutzen. Das spricht für sich. Ich war mittlerweile bereit für den Kampf. Man gab mir meinen weißen Kittel, meine weiße Hose und meine luftigen Schuhe, mein Name stand bereits auf dem Garderobenschrank Nr. 8, und ich wurde von meinen Kollegen begrüßt. Einige kannte ich aus der Studienzeit. Sie waren freundlich und zurückhaltend, auf eine zweideutige Art, aber so ist es wohl, wenn ein Neuankömmling aufgenommen werden muss. Vielleicht war es ja auch meine Redegabe, mein loses Mundwerk, das sie zu diesem Verhalten verleitete. Dann wurde ich gebeten, mich umgehend im Büro von Direktor Lund einzufinden, und sofort verstand ich,

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