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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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woher diese höfliche Zweideutigkeit resultierte. Sie wussten, dass ich nicht nur der Beste meines Jahrgangs war, sondern auch, dass Direktor Lund seine schützende Hand über mich hielt. Sie glaubten, ich sei unangreifbar. Wenn sie nur wüssten. Also ging ich wieder zurück und ein Stockwerk höher zur Verwaltung, griesgrämig, und fand das sonderbar. Warum war ich nicht direkt zu ihm geschickt worden, zu Direktor Lund, wenn es so pressierte? Warum Zeit verschwenden, wenn sie genutzt werden konnte, um Leben zu retten? Und was pressierte denn so? Ach, du sanfter Wintergarten! Was hatte ich getan? Vergebt mir! Ich machte einen Purzelbaum auf dem Flur und schnaubte. Nichts ist geschehen! Ich habe nicht einen einzigen Finger auf Ihre eigenhändige Frau gelegt! Lasst alles, was nicht geschah, ein für alle Mal ungeschehen bleiben! Doch als ich durch die medizinische Station B kam, wurde ich dringend in eines der Krankenzimmer gerufen, in dem zwei Pfleger sich mit einer widerborstigen Patientin abmühten, einer Frau, 58 Jahre alt, Vigdis Juliussen, wie ich dem Krankenblatt entnahm, die unter inwendigen Hämorrhoiden litt, sogenannten goldenen Adern, wobei ich in Klammern hinzufügen möchte, dass dieser Name, goldene Adern, in der medizinischen Terminologie seinesgleichen sucht. Er ruft Gelächter hervor. Das ist Ironie auf niedrigstem Niveau. Wahrscheinlich waren ihre Leiden durch einen ausschweifenden Alkoholmissbrauch verursacht worden, der außerdem Leber und Nieren geschädigt hatte und damit den Rest des Körpers. Jetzt stellte sich heraus, dass sie im Laufe der Nacht einen Vorfall erlitten hatte, das heißt, dass der Enddarm sich fast gelöst hatte und einen roten, wundartigen Kreis bildete, eine wurstförmige Geschwulst mit einer Öffnung in der Mitte. Die direkte Ursache ist eine Schwäche im Schließmuskel, aber das ist nur das sichtbare Resultat eines langen, schicksalsträchtigen Prozesses, wie gesagt. Die Behandlung musste so schnell wie möglich geschehen. Das war also der Grund gewesen. Sie wollten mich auf die Probe stellen, mich sozusagen ins kalte Wasser schmeißen. Ich war bereit. Ich ließ umgehend die hysterische Frau umdrehen, die nicht nur eine Plage für sich selbst war, sondern auch für die anderen Patienten, sechs an der Zahl, und die natürlich von dieser ganzen Aufregung, von der sie lieber hätten verschont werden sollen, unruhig wurden, einige bis zu den Tränen. Zum Schluss stand diese Frau jedenfalls auf den Knien im Bett, das von Blut und Kot verdreckt war, und die Pfleger mussten sie festhalten, während ich resolut die Unterwäsche aufschnitt und so mit eigenen Augen ihren missgebildeten Anus sah, ein unappetitlicher Anblick, und dennoch ein Teil des Menschlichen. Ich schmierte mir die Hände mit Fett ein und wollte das Hervorgestülpte wieder an seinen Platz zurückschieben. Da bemerkte ich, dass ich zitterte. Meine Hände zitterten. Ich klammerte mich an Vigdis Juliussens Hintern fest. Ihr Hinterteil war mein Anker, mein Haltepunkt. Dieser gewaltige, schwabbelige Arsch war das Zentrum des Universums. Die Pfleger wurden ungeduldig und warfen mir misstrauische Blicke zu. Da rief ich:
    »Eins, zwei, tröiedüs!«
    Und ich schob den Darm dorthin, wo er hingehörte. Die Frau schrie noch mehr. Und ich ließ die Hand eine Weile dort drinnen, denn ich spürte etwas anderes, ein Fremdkörper hatte sich festgesetzt. Ich bekam ihn zu fassen und zog ihn heraus. Es war ein Korken, der Korken einer Branntweinflasche. Ich tat, als wenn nichts wäre. Die Pfleger hoben die Frau hoch, die jetzt bereiter war, mitzuarbeiten, wechselten das Bettzeug und legten sie auf den Rücken. Ich zeigte ihr den Korken.
    »Ist da, wo der herkommt, noch mehr?«, fragte ich.
    Die Frau sah mich sprachlos und beschämt an und schüttelte den Kopf.
    »Darf ich, aus rein professionellem Interesse, fragen, wie das, also dieser Korken, dort gelandet ist, wo ich ihn fand?«
    »Ich weiß es nicht. Der …«
    Ich unterbrach die Frau.
    »Sie wissen es nicht? Der ist doch wohl nicht zufällig dort gelandet? Oder sind Sie vielleicht mit einem Korken im Enddarm geboren worden?«
    Die Frau war kurz vor den Tränen.
    »Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ehrenwort.«
    »Glauben Sie, ich bin sieben Jahre auf die medizinische Fakultät der Königlichen Frederiks Universität von Oslo gegangen, um Korken aus dem Enddarm von Alkoholikern zu ziehen?«
    Die Frau weinte, konnte kaum reden.
    »Entschuldigen Sie, Herr Doktor.«
    »Und Sie sind

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