Die Unseligen: Thriller (German Edition)
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»Nichts … Das war nichts … Hör zu, Doc … «
»Du bist nicht allein?«, unterbrach ihn der Arzt.
»Ja … ja«, stammelte Georges, ehe er sich wieder fing. »Du hast’s kapiert.«
Benjamin schob seinen Fuß in den Türspalt und sagte schnell:
»Jetzt hör mir mal gut zu. Hinter mir warten zehn Polizisten auf dich.«
» Was?! «
»Lass mich ausreden. Ich habe sie überredet, nichts zu unternehmen, wenn du mich reinlässt, damit wir miteinander reden. Du hast also die Wahl … «
»Wo sind sie?«, rief Georges und verrenkte sich den Hals. »Ich seh sie nicht!« Seine Augen versuchten, den Vorhang aus blendendem Licht zu durchdringen. »Warum sind sie da? Was wollen sie von mir?«
»Sie glauben, dass du es warst, der versucht hat, den Assistenzarzt zu ermorden.«
Georges riss den Mund weit auf und versuchte, einen klaren Gedanken zu formulieren, aber es kam nur ein dünnes, verschrecktes Wimmern heraus, das in ein Seufzen überging. Da wusste Benjamin, dass er sich nicht getäuscht hatte und dass der Mann, der ihm gegenüberstand, versucht hatte, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen. Aber entgegen dem, was er geglaubt hatte, empfand er weder Abscheu noch Wut, sondern nur unendliches Mitleid.
»Ich kann dir helfen … Lass mich rein«, sagte er und drückte gegen die Tür.
Der junge Mann schien in einen langen Tunnel zu spähen und keinen Ausgang zu sehen. Seine Hand verkrampfte sich am Türrahmen.
»Das ist unmöglich, Doc … «
Georges beendete den Satz nicht, da er von einem erneuten Stöhnen aus dem Zimmer abgelenkt wurde.
Diese Sekunde der Unaufmerksamkeit genügte.
Mit der Schulter stieß der Arzt die Tür auf, sodass der Mechaniker gegen die Wand zu seiner Rechten geschleudert wurde. Benjamin schlüpfte in dem Moment ins Innere, als Georges mit gesenktem Kopf auf ihn losging. Er wich dem Stoß ungeschickt aus und steckte den Schmerz in seinem Rücken, so gut es ging, weg. Seine Brust fiel ein, und er schnappte nach Luft.
»Verschwinde!«, schrie Georges.
Er wollte seinen Angriff wiederholen, als er die Verblüffung und Verständnislosigkeit auf dem Gesicht Benjamins sah. Letzterer hatte einen Schritt zur Seite, Richtung Fenster, gemacht, um einem neuen Stoß auszuweichen. Jetzt konnte er das ganze Zimmer übersehen. Kein Detail entging ihm. Weder das zerwühlte Bett noch die auf dem Boden verstreuten Lebensmittelpackungen und Dosen.
Er sah das Gepäck, das Georges für seine Flucht vorbereitet hatte.
Nein, nichts entging ihm.
Nicht einmal das Mädchen, das unter dem Waschbecken angebunden war.
88
»Kesiah … mein Gott … «
Benjamin stürzte sich auf das Mädchen, aber Georges schlug die Tür zu, versperrte ihm den Weg und stieß ihn mit dem Ellbogen zurück.
Die Klinge eines Skalpells blitzte matt in der Hand des jungen Schwarzen. Die Art, wie er die Klinge auf den Hals von Benjamin richtete, verriet alles andere als kalte Entschlossenheit, denn die Metallspitze zitterte in seiner Faust. Dennoch war die Bedrohung da, so nahe, dass ein Luftzug genügt hätte, um die Klinge über seine Haut gleite n zu lassen u nd ein Lächeln auf seine Kehle zu zeichnen.
Das nun einsetzende Schweigen kam ihm endlos vor – unterbrochen wurde es nur vom heiseren Stöhnen Kesiahs. Die Sonnenstrahlen drangen in den Raum und ließen die Limonadedosen auf dem Boden und das flache Wasserbecken glänzen, unter dem die junge Frau – die Arme auf dem Rücken gefesselt und einen Knebel im Mund – die weit aufgerissenen Augen verdrehte.
»Du hältst mich für ein Monster, was?«
Georges senkte das Kinn, ein trauriges Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. Benjamin bewegte sich einen Zentimeter, in der Hoffnung, flink genug zu sein, um die Waffe zu packen, doch der junge Mann sah seine Geste voraus, wich nach links aus und setzte das Skalpell an die Halsschlagader. Benjamin erstarrte, der Atem stockte ihm.
»Ich bin kein Mörder, Ben … Ich musste es tun … «
»Einen Arzt niederzustechen und dieses Mädchen als Geisel festzuhalten, nein, wirklich, ich begreife beim besten Willen nicht, was einen dazu zwingen könnte.«
»Ich wollte den Arzt nicht verletzen«, rief Georges. »Aber ich hatte keine Wahl. Ich musste Yaru beschützen«, sagte Georges zu sich selbst.
Benjamin runzelte die Stirn, er war sich nicht sicher, ob er richtig gehört hatte.
»Yaru Aduasanbi?«
Georges Ikki sah mit einem Ausdruck naiven Erstaunens zu ihm auf.
»Das ist ein großer Mann«, beteuerte er mit
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