Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
sie doch, Andras. Manchmal ist sie ein richtiges Biest.«
»Ich weiß. Aber letztendlich ist sie nur ein Mädchen.«
Klara seufzte schwer. »Und was jetzt?«, fragte sie und schaute vom Stuhl zu ihm herüber. »Wie geht es mit uns beiden weiter?«
Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken. »Ich weiß es nicht, Klara. Ich weiß es nicht. Ich setze mich jetzt hier aufs Bett. Wenn du willst, kannst du dich neben mich setzen.« Er wartete, bis sie neben ihm Platz nahm, dann fuhr er fort. »Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe«, sagte er. »Ich habe mich aufgeführt, als wärst du mir untreu gewesen, aber das bist du nicht, oder?«
»Nein«, erwiderte sie und legte eine Hand auf sein Knie. »Das, was ich für dich empfinde, macht es mir unmöglich. Oder zumindest absurd.«
»Und was ist das, Klara? Das, was du für mich empfindest?«
»Ich brauche vielleicht noch eine Weile, um dir diese Frage zu beantworten«, sagte sie und lächelte.
»Ich kann nicht das sein, was er war. Ich kann dir keine Wohnung bieten oder Elisabet so etwas wie ein Vater sein.«
»Eine Wohnung habe ich bereits«, sagte sie. »Und wenn Elisabet auch in vielerlei Hinsicht noch ein Kind ist, wird sie bald erwachsen sein. Ich brauche jetzt nicht mehr, was ich damals brauchte.«
»Und was brauchst du jetzt?«
Klara verzog den Mund auf ihre nachdenkliche Art. »Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber offensichtlich halte ich es nicht aus, von dir getrennt zu sein. Selbst wenn ich unheimlich wütend auf dich bin.«
»Es gibt immer noch sehr viel, das ich nicht über dich weiß.« Andras strich über ihren geschwungenen Rücken, spürte die glühenden Kohlen ihrer Wirbel unter dem dünnen Jersey.
»Ich hoffe, wir haben genug Zeit für alles.«
Er zog sie mit sich hinunter aufs Bett, sie legte den Kopf auf seine Schulter. Er fuhr mit der Hand über ihr langes dunkles Haar und nahm die aufwärts geschwungenen Spitzen zwischen die Finger. »Lass mich mit Elisabet reden«, sagte er. »Wenn wir zusammenbleiben, kann es nicht angehen, dass sie mich hasst. Und ich kann sie auch nicht hassen.«
»Na gut«, sagte Klara. »Du kannst es gern versuchen.« Sie drehte sich auf den Rücken und schaute zur schrägen Decke mit den Wasserflecken in Form von Fischen und Elefanten hinauf. »Ich war damals auch gemein zu meiner Mutter«, sagte sie. »Es wäre albern, das Gegenteil zu behaupten.«
»Mit sechzehn sind wir alle gemein zu unseren Eltern.«
»Du nicht, da bin ich mir sicher«, sagte sie und schloss die Lider. »Du liebst deine Eltern. Du bist ein guter Sohn.«
»Ich bin hier in Paris, und sie sind in Konyár.«
»Das ist nicht deine Schuld. Deine Eltern haben hart gearbeitet, damit du das Gimnázium besuchen konntest, und sie wollten, dass du hier studierst. Du schreibst ihnen jede Woche. Sie wissen, dass du sie liebst.«
Er hoffte, dass sie recht hatte. Seit neun Monaten hatte er seine Eltern nicht mehr gesehen. Dennoch spürte er ein feines Band zwischen sich und ihnen, eine zarte, leuchtende Faser, die sich von seiner Brust über den halben Kontinent spannte und sich vor ihren Körpern aufgabelte. Nie zuvor hatte er ein Fieber ohne seine Mutter überstanden; wenn er in Debrecen krank gewesen war, hatte sie den Zug genommen, um bei ihm zu sein. Nie hatte er ein Schuljahr abgeschlossen, ohne zu wissen, dass er bald zu Hause bei seinem Vater sein würde, neben ihm im Sägewerk arbeiten und mit ihm abends über die Felder gehen. Jetzt gab es einen neuen Faden, und der verband ihn mit Klara. Und Paris war ihre Heimat, diese Stadt, die Tausende von Kilometern von seinem Zuhause entfernt war. Andras spürte, wie sich ein neuer Schmerz regte, der seinem Heimweh glich, aber tiefer in seiner Seele verankert war; es war ein Sehnen nach der Zeit, als sein Herz noch ein schlichtes, zufriedenes Organ gewesen war, klein wie die grünen Äpfel, die im Obstgarten seines Vaters wuchsen.
Zum allerersten Mal besuchte er József Hász an seiner Hochschule. Die Beaux-Arts war ein gewaltiger Stadtpalast, ein Monument der l’art pour l’art ; daneben nahmen sich der bescheidene Hof und die Ateliers der École Spéciale wie etwas aus, das ein paar Jungen auf einem leeren Grundstück zusammengezimmert hatten. Andras trat durch ein mit Blumenmuster verziertes schmiedeeisernes Tor, bewacht von zwei strengen, in Stein gemeißelten Statuen, und durchquerte einen Skulpturenpark mit perfekten Marmorausführungen von Kore und Kouros, die wie im Lehrbuch der
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