Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
von Glück sagen, dass sie mich nicht an die Ostfront geschickt haben, nur um an mir ein Exempel zu statuieren. Jedenfalls, um es einfach zu sagen: Ich musste versuchen, Leib und Seele zusammenzuhalten – eine alte Schwäche von mir, könnte man sagen –, deshalb habe ich die Stelle genommen, als sie mir angeboten wurde. Besser als auf der Straße für mein Brot zu singen.«
»Was wir bald tun werden«, sagte Mendel. »Wenn wir nicht irgendeine Arbeit finden.«
»Nun, ich kann nicht sagen, dass ich diese Einrichtung hier empfehlen könnte«, meinte Eppler. »Wie ihr wahrscheinlich schon gemerkt habt, bin ich nicht immer so ganz einer Meinung mit dem Rest der Redaktion.«
»Vielleicht können Sie ja jemanden gebrauchen, der für Sie Partei ergreift«, bemerkte Andras.
»Wenn ich Sie einstellen würde, Lévi, dann nicht um Partei zu ergreifen. Das würde ich tun, um Arbeit erledigt zu bekommen, so wie damals, als Sie frisch vom Gimnázium kamen.«
»In der Zwischenzeit habe ich das eine oder andere gelernt.«
»Davon bin ich überzeugt. Und Ihr Freund hier macht mir einen interessanten Eindruck. Ich kann nicht behaupten, Horovitz, dass ich Sie auf Grundlage Ihrer Stechfliege engagiert hätte, aber ich habe Ihre Kolumne damals eine Zeit lang verfolgt.«
»Ich bin geschmeichelt.«
»Nicht nötig. Ich lese jedes Käseblatt in dieser Stadt. Halte ich für meine Pflicht.«
»Meinen Sie, Sie könnten etwas für uns finden?«, fragte Mendel. »Ich bin nicht gerne direkt, aber einer muss es ja sein. Lévi hier hat einen Sohn zu ernähren.«
»Einen Sohn! Gütiger Gott! Wenn Sie einen Sohn haben, Lévi, dann bin ich ein alter Mann.« Seufzend zog Eppler seine Hose hoch. »Ach, zum Henker, Jungs! Kommt arbeiten, wenn ihr unbedingt arbeiten wollt. Ich grabe schon was für euch aus.«
An jenem Abend saß Andras zu Hause am Küchentisch mit seiner Mutter und dem Kind, während Klara auf dem Sofa im Vorderzimmer schlief. Seine Anya zog eine Nadel aus einem Nachthemd, an dem sie gerade nähte, und drückte sie in das graue Nadelkissen aus Baumwollsamt, das sie schon so lange benutzte, wie Andras denken konnte. Sie hatte ihr altes Nähkästchen mit nach Budapest genommen, und Andras hatte sich gewundert, dass er noch immer die umfangreiche Liste seines Inhalts kannte: das zerfranste Maßband, das runde blaue Döschen mit der Minestrone aus Knöpfen, die Schere mit dem schwarzen Griff und ihren blanken Klingen, das geheimnisvolle dornige Markierrädchen, die zahlreichen Spulen bunter Seiden- und Baumwollgarne. Die winzigen Überwendlingsstiche seiner Mutter waren ebenso knapp und präzise wie damals, als sie in der Kindheit Andras’ Kragen gesäumt hatten. Als seine Mutter die Einfassung fertig hatte, machte sie einen Knoten in den Faden und biss ihn mit den Zähnen durch.
»Du hast mir als kleiner Junge immer gerne beim Nähen zugeschaut«, sagte sie.
»Ich weiß. Es kam mir vor wie Zauberei.«
Sie hob eine Augenbraue. »Wenn es Zauberei wäre, würde es schneller gehen.«
»Geschwindigkeit ist der Feind der Genauigkeit«, sagte Andras. »Haben unsere Zeichenlehrer in Paris immer gepredigt.«
Seine Mutter machte einen Knoten ins Fadenende und schaute wieder zu ihm auf. »Es ist schon lange her, dass du in der Hochschule warst, nicht?«, fragte sie.
»Ewig.«
»Wenn das hier alles vorbei ist, kannst du doch weiterstudieren.«
»Ja, das meint Apa auch. Aber ich weiß ja nicht, was passiert. Ich habe jetzt Frau und Sohn.«
»Na, dass du jetzt eine Arbeit hast, ist jedenfalls eine gute Nachricht«, sagte seine Mutter. »Es war klug von dir, an Eppler zu denken.«
»Ja, das ist eine gute Nachricht«, bestätigte Andras, aber es fühlte sich weniger wie eine gute Nachricht an, als er gehofft hatte. Obwohl es für ihn eine Erleichterung war zu wissen, dass er Geld verdienen würde, schien die Vorstellung, wieder für Eppler arbeiten zu gehen, seinen Aufenthalt in Paris gänzlich auszuradieren. Andras wusste, dass es nicht so war; schließlich hatte er Klara in Paris kennengelernt, und auf dem Tisch vor ihm lag Tamás Lévi in einem Flechtkorb, der wunderbare Beweis ihres gemeinsamen Lebens. Doch am nächsten Morgen zur Arbeit zu gehen und Aufgaben von Eppler zugewiesen zu bekommen – das hatte er mit neunzehn, zwanzig Jahren getan. Andras hatte das Gefühl, als sei ihm nun die Möglichkeit verwehrt, jemals seine Ausbildung abzuschließen, jemals die Arbeit tun zu können, die er liebte. Alles in der Welt sprach
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