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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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Fäuste in die ausladenden Hüften.
    »Und aus welchem Grund, wenn ich fragen darf?«
    »Die war schon mal hier. Hat in die Ecke geschissen und alles einfach liegen lassen, statt es in die Kloake zu werfen wie anständige Menschen. Ebenso gern wie sie hätte man einen Hundeschänder oder Henker im Haus«, schimpfte die Dicke.
    »Wenn du mehrere Winter in einem Kellerloch verbracht hättest, Nonne, in dem es weit und breit keine Kloake gibt, hättest du dich auch daran gewöhnt, deine Notdurft im Raum zu lassen«, wies sie sie zurecht. »Wir sind nicht gekommen, um mit dir zu lamentieren. Wenn diese Frau hier Geld hat, dann besinnst du dich doch bestimmt wieder darauf, wie sich ein frommer Mensch zu verhalten hat, oder?«
    »Die hat aber kein Geld. Hatte nie irgendetwas.« Sie blieb wie angewurzelt stehen, verschränkte jetzt nur die fleischigen Arme vor dem mächtigen Busen.
    Heilwig zückte einen kleinen samtenen Beutel, öffnete ihn und hielt ihn der Nonne unter die Nase. Die spähte hinein und bekam Glupschaugen.
    »Das ist ein Vermögen. Das gehört doch Euch und nicht der!« Sie deutete mit dem Daumen auf Mechthild, die sich an Heilwigs Ellbogen festklammerte und den linken Fuß in der Luft hielt. Anscheinend bereitete es ihr Schmerzen, mit ihm aufzutreten. Das war Heilwig bald aufgefallen, als sie sich gemeinsam auf den Weg gemacht hatten.
    »Da täuschst du dich. Die Münzen gehören Mechthild. Und einen Teil davon ist sie bereit, dem Johanniskloster zu geben, wenn man sie hier ein Bad nehmen lässt und ihr ein frisches Kleid und ein Paar Schuhe besorgt.«
    »Das ließe sich wohl machen«, meinte die Nonne und wippte vor auf die Zehenspitzen, um noch einen Blick auf die glänzenden Münzen erhaschen zu können.
    »Außerdem braucht sie eine saubere Haube und Trippen für die Schuhe.«
    »Trippen auch?« Die Dicke hob missmutig die Augenbrauen.
    »Gewiss. Die Schuhe sollen ja recht lange halten.«
    Wieder deutete die Nonne ungeniert mit dem Daumen auf die Besucherin, die dieses Mal gut zahlen konnte. »Die da hält doch selbst nicht mehr lange.«
    »Sie ist blind, aber nicht taub«, fauchte Heilwig. »Du wirst ab sofort besser darauf achtgeben, was du sagst.«
    »Ist ja schon gut«, maulte sie. »Aber mit Verehrteste werde ich die nicht anreden.« Sie drehte sich um, winkte den beiden, ihr zu folgen, und watschelte einen langen Gang hinunter. An dessen Ende lag eine kleine Kammer, in der ein Waschzuber stand, den die dralle Nonne mit heißem Wasser füllen ließ. Sie kündigte an, dass sie die gewünschten Kleider besorgen werde, und ließ sich dafür einige Münzen aushändigen. Heilwig wusste sehr gut, dass es zu viel war. Das sagte ihr schon das zufriedene Gesicht der Ordensfrau. Es kümmerte sie nicht.
    Endlich war sie mit ihrer Amme allein. Sie löste die Haube von dem Haar, das verklettet und verfilzt war. »Es tut mir so leid«, sagte sie leise, während sie ihr aus dem Kleid half. »Alles tut mir so schrecklich leid. Ich hätte dich niemals gehen lassen dürfen. Ich hätte mich weigern sollen, ihn zum Mann zu nehmen, wenn er mir nicht diesen einen Wunsch erfüllt.« Es war nicht einfach, die Alte zu entkleiden, weil sie sich noch immer an Heilwigs Arm festklammerte und nicht loslassen wollte. Schließlich gelang es ihr doch. Sie schluckte hart, und ihre rauhe Stimme verriet das Entsetzen, das sie bei dem Anblick des ausgemergelten Körpers packte. Die Hüftknochen standen spitz hervor, die Brüste, die sie einst so gut genährt hatten, hingen schlapp herunter wie leere Hautbeutel. »Und nun hinein in das heiße Wasser. Das wird dir guttun.« Mehr konnte sie nicht sagen. Zu gewaltig war der Kloß, der ihr in der Kehle saß. Sie löste die krummen Finger von ihrem Arm und schob Mechthild sacht an den Rand des Zubers. Sie hob zuerst ihr rechtes Bein hinein, dann das linke. Schulterblätter und jeder einzelne Wirbel waren so deutlich zu erkennen, dass es den Anschein hatte, jemand hätte ihr eine übergroße Perlenschnur und zwei Flügel unter die Haut gepflanzt. Als Mechthild in der Wanne saß, holte Heilwig ein Fläschchen hervor. Sie öffnete es und hielt es ihr unter die Nase. »Rosenwasser. Duftet herrlich, nicht wahr?« Mechthild schnupperte wie ein Tier. Sie sagte noch immer kein Wort, doch aus ihrer Kehle drang ein Laut, der Wohlbefinden ausdrückte. »Und ich habe dir noch etwas mitgebracht«, sagte sie.
    Nachdem sie sie gewaschen hatte, konnte sie sehen, dass die Haut schuppig und an einigen

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