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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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den Bauch nieder und stocherte mit der Hand in dem Hohlraum herum, ohne dadurch mehr zu erreichen, als sich ein paar weitere Splitter einzureißen. Möglicherweise hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, denn plötzlich entdeckte er das Objekt seiner Begierde. Es lag als fahler Schemen unter ihm – mindestens zwei Armlängen entfernt.
    Ein Krachen ließ Trevirs Kopf hochfahren. Die Tür des Schankraumes war aufgeflogen und die schwarzen Krieger stürmten heraus. Hinter ihnen quollen massenhaft Gäste in den Hof; offenbar hatten sie Mologs Männer allein durch ihre große Zahl aufgehalten.
    »Ich lass dich nicht hier!«, keuchte Trevir gegen alle Vernunft. Obwohl der Stecken unerreichbar fern war, kniff er die Augen zusammen und stellte sich vor, seinen Arm ausfahren zu können wie eine Schnecke ihre Fühler. Und plötzlich lag der Stab in seiner Hand.
    Vor Überraschung stieß Trevir einen hellen Schrei aus. Er drehte den Kopf seinen Verfolgern zu. Die fünf hatten sich zu einem Halbkreis aufgefächert und kamen ohne große Eile näher. Anscheinend waren sie sich ihrer Jagdbeute sicher – kein Wunder, wo der Gesuchte ein so seltsames Verhalten an den Tag legte. Sein Freudenruf irritierte allerdings den einen oder anderen Schergen.
    Im Nu war Trevir wieder auf den Beinen und rannte mit seiner Beute die Stämme empor. Hinter ihm erschollen aufgeregte Stimmen. Aluuins Stab fest umklammert riss er die Arme hoch und sprang. Noch während er sich abdrückte, fühlte er, wie der Untergrund nachgab. Mit lautem Poltern geriet der Stapel in Bewegung. Die schweren Stämme rollten auf die Krieger zu. Der bullige Anführer mit der Delle im Kopf reagierte zu spät und wurde umgerissen.
    Trevir hing mit einer Hand an der Mauerkrone. Die zweite hielt den Stab. Er sah, wie die Krieger vor den Stämmen flüchteten. Einer kam jedoch schon wieder von der Seite heran. Trevir holte tief Atem und schleuderte den Stecken über die Mauer. Damit war seine zweite Hand frei und konnte sich ebenfalls an der rauen Kante festhalten. Die schwarze Gestalt zückte ein Schwert und beschleunigte ihr Tempo. Trevir nahm alle Kraft zusammen und zog sich zur Mauerkrone empor. Als er sein linkes Bein darüber schwang, hörte er ein klirrendes Geräusch – einen Wimpernschlag später und das Schwert hätte ihm den Fuß abgetrennt. Ehe es die verpasste Chance beim zweiten Bein wettmachen konnte, hatte Trevir auch dieses in Sicherheit gebracht. Vom oberen Ende der Mauer grinste er den Krieger grimmig an.
    »Ich würde ja gerne im Schwarzen Heer Eures Herrn dienen, aber leider habe ich schon etwas anderes vor.«
    Der Soldat brüllte und holte mit dem Schwert aus, vielleicht um es nach dem frechen Heißsporn zu werfen. Trevir lag wenig daran, die Absichten des Wüterichs zu ergründen. Rasch sprang er auf der anderen Seite der Mauer hinab und verschwand in die Schatten der Nacht.
     
     
    Der Splitter saß tief. Fünf kleinere hatte Trevir schon aus seinen Händen herausgezogen – für jeden schwarzen Krieger einen, dachte er befriedigt –, aber dieser hier quälte ihn, als wäre es Molog höchst persönlich. Der Span steckte wie mit Widerhaken tief im linken Zeigefinger.
    Stöhnend ließ Trevir das Messer sinken, mit dem er sich durch die Haut gearbeitet hatte. Er musste einen Moment verschnaufen, bis der Schmerz nachließ.
    Der junge Hüter des Gleichgewichts hatte den größten Teil des Tages in einer Höhle am Strand verbracht, auf die er durch Zufall gestoßen war, nachdem er sich fast die ganze Nacht auf der Flucht vor Mologs Kriegern befunden hatte. Er beabsichtigte mindestens eine weitere Nacht hier zu bleiben, um wieder zu Kräften zu kommen und gleichzeitig den Feind ins Leere laufen zu lassen. In der Sonne am Höhleneingang pulte er jetzt schon seit mehr als einer Stunde an seinen Händen herum.
    Nachdenklich betrachtete Trevir Aluuins Stab, der vor ihm im Sand steckte. Wie hatte er seinen schon verloren geglaubten Schatz im Hof der Schenke wieder in die Hand bekommen können? Etwa mit der gleichen Kraft, die ihn, den Empfänger, aus Mologs Kerker und später in den Wald hatte »springen« lassen?
    Trevir ging zwei Schritte rückwärts und streckte den Arm nach dem Stab aus. »Komm!«, sagte er im gleichen Ton, wie er früher seine Schafe gelockt hatte.
    Der Stab wollte sich jedoch nicht ködern lassen.
    »Irgendwie musst du mir letzte Nacht doch entgegengeflogen sein«, erklärte Trevir seinem hölzernen Begleiter und rief: »Tu’s

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