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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Zentrum. Viele Leute strömten dahin und bald stellte sich auch heraus, warum. Eine Gauklertruppe war zu Besuch. Mitten auf dem Platz hatte man aus Kisten ein Rondell errichtet, in dem lustig maskierte oder geschminkte Akrobaten, Mimen, Tierbändiger und Zwerge ihre Künste zum Besten gaben. Trevir begegnete dem fahrenden Volk nicht zum ersten Mal, wenngleich diese Truppe hier größer war als alle, die er bisher gesehen hatte.
    Da er sich – als Geselle des Baders – dem schaustellenden Gewerbe durchaus verbunden fühlte, bahnte er sich neugierig einen Weg durch die Menge, bis er ganz nah an der Kistenarena stand. Gerade verließ ein Bärendompteur die Manege und machte dem Großen Styfic Platz. Diesen Namen verkörperte eine enorm hoch gewachsene, aber ziemlich hagere Gestalt, die dem Gewerbe nach Magier war. Der Große Styfic trug einen weiten rot glänzenden Umhang mit schwarzem Innenfutter und einen hohen, spitzen Hut. Sein Gesicht hatte zufolge einer dicken Schicht Schminke die Farbe von Weißkäse und wurde von einer gewaltigen Adlernase beherrscht. Auch die Haare und der Mund waren bleich gefärbt. Er benahm sich berufsbedingt geheimnisvoll, was nicht übertrieben anmutete, da er tatsächlich über ein reiches Repertoire an erstaunlichen Tricks verfügte – Clutarigas hätte noch eine Menge von ihm lernen können. Das Publikum war entzückt, wenn der Große Styfic Tauben verschwinden oder einen Schwan wie aus dem Nichts erscheinen ließ, seine Gehilfin mit Schwertern aufspießte und sie hiernach zersägte, ohne dass es ihrer guten Laune im Geringsten schadete.
    Eine Zeit lang verfolgte Trevir die Vorführung voller Bewunderung, aber dann schweiften seine Gedanken ab. Als Mitglied einer solchen Truppe könnte man vermutlich unbehelligt von Mologs Häschern kreuz und quer durchs Land reisen, überlegte er. Lächelnd schüttelte er den Kopf. Unsinn! Besser, er machte sich aus dem Staub, bevor ihn jemand entdeckte.
    »Ihr da, junger Mann«, hörte er plötzlich jemanden rufen. Es war der fahle Magier. Trevir hoffte noch, jemand anderer könne gemeint sein, drehte sich suchend um, aber das Publikum lächelte nur ihm zu – mehr oder weniger schadenfroh; einige Zuschauer feuerten ihn durch Beifall an.
    »Kommt!«, lud der Große Styfic sein Opfer ein, während er sich bereits anpirschte. »Ihr werdet mir als Gehilfe für mein nächstes Kunststück dienen.«
    »Aber ich will nicht«, widersprach Trevir. So ganz ohne Maske wollte er sich dann doch nicht der Öffentlichkeit präsentieren.
    »Das macht überhaupt nichts«, versicherte der Zauberer, packte Trevir am Handgelenk und zog ihn unter dem Applaus der Menge in die Manege. Dort begann Styfic den jungen Mann sogleich zu befingern. Jeder Unbedarfte mochte sich durch dieses vertrauliche Tatschen, Auf-die-Schulter-Klopfen und Herumdrehen ablenken lassen, aber Trevir hatte bei Clutarigas gelernt, dass man auf diese Weise jemandem unbemerkt die Taschen leeren oder ihm auch etwas zustecken konnte. Er beschloss zunächst einmal abzuwarten und gab sich ahnungslos.
    »Was für einen trefflichen Zauberstab Ihr da habt!«, lobte Styfic seinen neuen Gehilfen. »Wir haben es doch nicht etwa mit einem Zunftgenossen zu tun?«
    Das Publikum lachte. Trevir schenkte dem strahlenden Käsegesicht einen vernichtenden Blick.
    »Huuuh!«, machte der Große Styfic und zitterte übertrieben. »Wenn Ihr mich so zornig anseht, fürchte ich noch, von Euch in ein Huhn verwandelt zu werden.«
    Die Zuschauer grölten.
    »Oder in ein Schwein«, fügte der Zauberer bibbernd hinzu.
    Die Besucher bogen sich vor Lachen.
    »Ich denke gerade ernsthaft darüber nach«, erwiderte Trevir mit versteinerter Miene.
    Das Magierlächeln gefror. Jedoch nur kurz. »Nun gut. Jetzt wollen wir beide unser Publikum zum Staunen bringen. Habt Ihr irgendwelche Wertsachen dabei?«
    »Wenn, dann würde ich es Euch bestimmt nicht sagen.«
    Wieder lachten die Zuschauer.
    »Eure Schlagfertigkeit gefällt mir«, applaudierte der Große Styfic und förderte aus den Falten seines Umhanges ein Messer zutage. »Aber wie steht es mit diesem prächtigen Dolch hier?«
    »Das ist meiner«, sagte Trevir gelangweilt, ließ sich den Dolch geben und verstaute ihn wieder in der Scheide unter seiner Tunika.
    Die Menge johlte vor Vergnügen und pfiff.
    »Oder dieses Beutelchen!«, fuhr der Magier fort. »Ist das vielleicht auch Eures? Was wohl da drin sein mag? Tee?« Während die Leute klatschten und jubelten, machte Styfic

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