Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
lächelte und ließ sich auf den Arm nehmen.
    Topra spähte noch einmal zur Löwin hinüber und erschrak. Sie hatte ihr mächtiges Haupt gewendet und sah in diesem Moment die Bedrohung für ihr »Junges«. Fauchend begann sie loszuspurten.
    Auch Topra rannte, so schnell er konnte, den Hügel hinauf. Er hörte die knallenden Schüsse der langen Teguarflinten. Als er sich umdrehte, war die Löwin immer noch da. Sie kam mit Riesensätzen näher. Endlich erreichte er die Kuppe. Sein Schimmel stand etwa dreißig Schritte unter ihm. Er drückte das Kind an seine Brust und lief noch schneller. Hier, außerhalb der Schusslinie seiner Verbündeten, war er ganz auf sich allein gestellt. Wieder wandte er sich um. Die Löwin stürmte gerade über die Kuppe. Topra blieb stehen. Es war unmöglich, das Pferd noch rechtzeitig zu erreichen, es zu besteigen und mit dem Kind zu fliehen. Wenn er Jemina auf dem Arm hielt, würde die Löwin ihm vielleicht nichts tun.
    Das stellte sich als Irrtum heraus. Die große Katze verlangsamte zwar ihr Tempo, aber nur, um sich dem Gegner zu stellen. Sie fauchte und schlug mit den Pranken, zunächst nur in die Luft. Jemina begann zu weinen und auch Topra hatte Todesangst. Wenn er sich wenigstens wehren könnte! Als Gefangener besaß er nicht einmal ein Messer. Er sah sich um. Hier gab es nur ein paar Steine und viel Sand. In den Gassen von Lamu hatte er daraus ein Schwert erschaffen, aber hier…?
    »Geh, ehe ich mich vergesse!«, drohte er der Löwin. Sein verzweifelter Ausruf war von einer wischenden Geste begleitet, die ungeahnte Folgen hatte. Der staubige Grund geriet unversehens ins Rutschen. Wie eine Lawine raste er auf das Tier zu und trug dabei Steine und sogar große Felsen mit. Das Merkwürdige war nur, dass diese Bewegung hangaufwärts erfolgte.
    Die Löwin wurde von einem schweren Brocken an der Schulter getroffen und stieß einen schrillen Schmerzenslaut aus. Die Lawine rollte immer noch. In gewisser Hinsicht stand die Großkatze für Topra unter ihm – er hatte im Geist die schiefe Ebene einfach zum Kippen gebracht. Weitere Steine trafen den Körper des Tieres. Die Löwin fauchte und schrie, schlug mit den Pranken um sich und versuchte dem unsichtbaren Gegner auszuweichen. Schließlich gab sie auf und machte sich im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Staub.
    Schwer atmend ließ Topra das Mädchen auf den Boden herab. Sein Pferd war davongelaufen. Er versuchte zu begreifen, was da eben geschehen war. Hatte tatsächlich er diesen Erdrutsch ausgelöst, der allen Naturgesetzen hohnzusprechen schien? Von der Hügelkuppe kamen ihm mehrere Reiter entgegen, allen voran der Nomadenfürst.
    »Es geht ihr gut!«, rief Topra, noch ehe Asfahan bei ihm war.
    Der Teguar sprang von seinem Ross, hob seine Tochter vom Boden auf und drückte sie an sich. Seine Augen glänzten vor Glück, wenngleich er sich keine Tränen zugestand. Endlich wandte er sich Topra zu.
    »Du hast das Leben meines Kindes gerettet, jetzt gehört das meine dir.«
    »Mir wäre lieber, du würdest mir meines zurückgeben.«
    »Ich stehe tief in deiner Schuld. Was immer du wünschst, werde ich dir erfüllen – vorausgesetzt, es steht in meiner Macht.«
    »Gib deinen Gefangenen die Freiheit zurück. Sie sind deine Leidensgenossen, was die Knechtschaft unter Baqats Knute anbelangt, und sie könnten deine Verbündeten sein.«
    »Ich schwöre beim Leben meiner Tochter, dass ich deinen Wunsch erfüllen werde, Seher Takuba.«
    »Takuba?«
    »Das ist Teguar und bedeutet ›Schwert‹. Unter diesem Ehrennamen werden dich noch unsere Kindeskinder besingen, denn dein Geist hat sich als schärfer erwiesen als jede unserer zweischneidigen Klingen.«
    Der so Ausgezeichnete erwiderte fest Asfahans Blick. Dort konnte er die Aufrichtigkeit des stolzen Fürsten sehen – er würde seinen Schwur halten. Topras eben noch streng fordernde Miene wurde unversehens weich. Liebevoll streichelte er Jeminas Rücken und sagte zu ihr: »Ich bin froh, dass es uns beiden gut geht. Du auch?«
    Das Mädchen nickte mit großen Augen und breitete mit einem Mal ihre Ärmchen nach ihrem Retter aus. »Nur zu!«, ermunterte ihn der Vater.
    Topra nahm ihm Jemina ab. Die Kleine küsste ihn auf die Wange und sagte: »Danke, Takuba.«
    Asfahan beugte sich zum Retter seiner Tochter vor und flüsterte verschwörerisch: »Und wenn wir heute gemeinsam zu Abend essen, verrätst du mir, wie du das mit dem Geröllsturm angestellt hast.«
     
     
    Die Dankbarkeit des

Weitere Kostenlose Bücher