Die unsichtbare Pyramide
Bünde explodieren, wenn man sie gewaltsam entfernt.«
Der Nubier zuckte die Achseln. »Normalerweise tun sie das auch. Ich hab wohl Glück gehabt.«
Seine Herrin sah ihn schräg von unten an. »Nur Glück? Kann es sein, dass dein Bund manipuliert worden ist?«
»Ihr kennt doch die offiziellen Regierungsnoten dazu, Herrin. Das ist unmöglich. Lasst uns jetzt über Wichtigeres reden: Ihr müsst fort von hier.«
»Natürlich.«
»Nein, Ihr versteht mich nicht. Ich meine, Ihr müsst aus Memphis fliehen. Ihr seid hier nicht mehr sicher.«
»Pharao Isfet liebt mich. Er würde nicht zulassen, dass…«
»Er hat das hier zugelassen, Herrin«, unterbrach Hobnaj sie entgegen seiner sonstigen Gepflogenheit. »Eine solche Aktion setzt das Einverständnis des Monarchen voraus – und wenn es nur eine stillschweigende Duldung ist.«
»Ibah-Ahiti steckt dahinter.«
»Das denke ich auch. Am besten, Ihr verlasst Baqat.«
»Ich soll in einen der Rebellenstaaten fliehen, wo das Erbe, das meinem Sohn zusteht, doch hier ist?«
Hobnajs Augenbrauen zogen sich zusammen. »Wollt Ihr für ihn etwa Anspruch auf den Thron erheben?«
»Der ist mir einerlei, das darfst du mir glauben. Doch ich sehe nicht ein, dass ich mein Kind verstecken soll, obwohl es doch ebenso von edler Abstammung ist wie Ibah-Ahitis Sohn.«
»Die Kaiserin dürfte das anders sehen.«
»Und deshalb muss ich hier bleiben und für das Recht meines Sohnes kämpfen. Die Konkubinen und ihre Kinder sollten nicht länger Menschen zweiter Klasse sein. Ich kann Isfet umstimmen, wenn er mich nur anhört.«
»Gisa! Ibah-Ahiti ist eine gewissenlose Frau.«
»Hobnaj hat Recht«, stimmte Wira dem Nubier zu. »Du bist in großer Gefahr, wenn du…!«
»Bestimmt weiß Isfet nichts von den Intrigen der Kaiserin. Wenn ich ihm davon erzähle, wird er mich vor ihr schützen. So, und jetzt Schluss, ihr beide! Meine Entscheidung steht fest. Du wirst für Wira ein Versteck suchen, Hobnaj, notfalls im Ausland. Vermutlich kann sie bald nach Memphis zurückkehren. Aber ich bleibe hier.«
»Dann müsst Ihr Euch von Eurem Sohn trennen«, sagte der Nubier.
»Kommt nicht infrage.«
»Doch, Gisa!«, beharrte Hobnaj und klang dabei wie ein strenger Vater. »Ibah-Ahiti wird niemals zulassen, dass ein Rivale ihres Sohnes unter ihren Augen aufwächst. Euer Kind würde nicht einmal das Licht des kommenden Tages erblicken, wenn Ihr es mir nicht gebt.«
»Dir geben? Und was geschieht dann?«
»Ich sorge dafür, dass es sicher außer Landes kommt. Es soll unter guten Leuten aufwachsen, als ein Junge wie jeder andere. Nur so könnt Ihr sein Leben retten und vielleicht wird er dann eines Tages das Erbe antreten, das Ihr ihm zugedacht habt.«
»Könnte nicht ich den Jungen zu mir nehmen?«, fragte die Hebamme.
Hobnaj schüttelte traurig den Kopf. »Weder du noch ich, zumindest in naher Zukunft nicht. Wenn es irgendwie ginge, würde ich mich selbst um den Jungen kümmern, so als wäre er mein eigener Sohn, aber die Geheimpolizei wird uns jagen, Wira. Nichts darf auf eine Verbindung zwischen dem Kind und uns hindeuten.«
Gisas Herz verkrampfte sich. Sie wusste, dass Hobnaj die Wahrheit redete. Der Befehl des Truppführers war da unmissverständlich: Das Kind auf den Basalttisch legen! Ibah-Ahiti würde nicht eher ruhen, als bis der Sohn ihrer Rivalin tot war.
»Also gut«, sagte Gisa. »Ich schätze deinen Rat und deine Weitsicht, Hobnaj; du hast meiner Familie immer treu gedient. Nimm Topra, finde für ihn jemanden, der ihn beschützen und für ihn sorgen kann.«
»Topra?«
»So soll der Name meines Sohnes lauten.«
›»Die Basis des Dreiecks‹?«, murmelte Hobnaj die Bedeutung des uralten Wortes. »Das ist nicht zufällig eine Anspielung auf den Schattenriss der Pyramide, das Emblem des Großen Hauses von Baqat?«
Gisa schob das Leinentuch vom Rücken des Kindes. »Siehst du das Feuermal an seinem linken Schulterblatt?«
»Eine Pyramide!«
»Deshalb nenne ich ihn Topra. Auch wegen dieses Ortes hier, an dem er geboren wurde. Und vor allem weil dieser Name für meinen Sohn eines Tages der Schlüssel sein mag, der ihm das Tor zu seiner wahren Bestimmung öffnet. Wer immer sich seiner annimmt, muss daher wissen, wie das Kind heißt. Dies soll mein letzter Befehl an dich sein, Hobnaj, denn ab heute bist du ein freier Mann.«
»Was? Aber Herrin…!«
»Es ist gut, Hobnaj. Sollte ich nicht mehr dazu kommen, deinen neuen Stand beurkunden zu lassen, dann wird Wira meinen Entschluss
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