Die unsichtbare Pyramide
nach Huelva fliegst, um deine Clara in die Arme zu schließen.«
Francisco schüttelte fassungslos den Kopf. »Das kann ich einfach nicht glauben. Du hast mich die ganze Zeit belogen. Du bist gar nicht mein Bruder. Du bist der Sohn von Pedro Alvarez und Estefania Morales.«
Vicente blickte Francisco mit offenem Mund an. Ihm war anzusehen, wie wenig er diese Auseinandersetzung ausgerechnet in diesem Moment gebrauchen konnte. Schließlich schüttelte er den Kopf und beteuerte: »Doch, du bist mein Bruder.«
»Ich weiß einigermaßen genau, dass Estefania im September 1975 nicht hochschwanger war. Mit ziemlicher Sicherheit konnte sie das auch gar nicht sein, denn sie dürfte zu dieser Zeit so um die fünfzig gewesen sein.«
»Zweiundfünfzig.«
»Aha!«
»Sie hat dich adoptieren wollen.«
»Was?«
»Deine richtige Mutter ist gestorben. Mein Vater, Pedro Alvarez, wie du ganz richtig herausgefunden hast, machte seinen Einfluss geltend, um ihr das Neugeborene zuzuschustern.«
»Der Provinziale hat mich… zugeschustert.«
»Vielleicht ist der Begriff nicht ganz passend, aber meine Mutter wollte noch ein Kind und in Adoptionen hatte sie bereits Erfahrung.«
»Was soll das nun schon wieder heißen?« Francisco schwirrte der Kopf. War diese Geschichte auch nur erstunken und erlogen?
»Das bedeutet, ich wurde ebenfalls von Estefania adoptiert.«
»Ha! Jetzt hast du dich in deinen eigenen Lügen verstrickt. Eben noch sagtest du, sie sei deine Mutter gewesen.«
»War sie auch. Die Sache ist ziemlich verzwickt und sie hat mit der Unsichtbaren Pyramide zu tun.«
»Hör auf!«
»Nein, es ist wahr. Estefania war eine verzweifelte Frau in finanziellen Nöten. Und mein Vater brauchte ein Kind. Der Grund hierfür hing mit den Überlieferungen der Unsichtbaren Pyramide zusammen. Er betrachtete sich als Hüter des Gleichgewichts und hatte es sich in den Kopf gesetzt, die drei Welten des Multiversums wieder zu vereinen. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigte er ein Menschenkind, das zur rechten Zeit am rechten Ort geboren worden war. Estefania wurde von ihm kurzerhand zur Mätresse erwählt, die er acht Monate vor der vorausberechneten großen Welle schwängerte.«
»Estefania Morales!« Francisco begann zu begreifen.
Vicente lächelte säuerlich. »Wie ich meinen Vater kenne, hat er seinen Samen zur Sicherheit bestimmt auch noch auf ein Dutzend andere Frauen verteilt.«
»Aber Estefania wurde schwanger.«
»So ist es. Der fromme Pedro Alvarez kaufte sich einen portugiesischen Arzt, der das Kind rechtzeitig auf die Welt holte.«
»Zur rechten Zeit am rechten Ort.«
»Das dachte Vater zumindest. Er brachte Estefania nach Tomar in Portugal. Dort gibt es eine kreisrunde Kapelle der Templer. Der Orden betete dort Baphomet an, einen Götzen mit drei Gesichtern.«
»Das ist nicht dein Ernst!«
»Du musst deine Nase nur in die einschlägige Literatur stecken, wenn du eine Bestätigung brauchst. Da wirst du auch von dem Schlussstein der Templerburg lesen, auf dem der dreigesichtige Baphomet zu bewundern ist – entfernte man diesen Stein, stürzt die ganze Burg zusammen.«
»Mir graust’s, wenn ich das alles höre. Immerhin erklärt diese Geschichte deinen krankhaften Hang zum Mystischen. Ich würde sie an deiner Stelle lieber für mich behalten.«
»Du bist der Erste, dem ich sie erzähle.«
»Warum das? Welche Rolle spiele ich in deinem verworrenen Lebensbild?«
»Du bist mein Bruder.«
»Dass ich nicht lache!«
»Pedro Alvarez hat vermutlich mehr an seinen eigenen Ruf als an die Ehrenhaftigkeit meiner Mutter gedacht, als er den Einfluss der Kirche geltend machte, um mich, ein angebliches Findelkind, ihrer Obhut zu übergeben. Dem Schriftverkehr in ihrem Nachlass konnte ich entnehmen, dass die Behörden wie geschmiert mitspielten – abgesehen von ihrem angesehenen Fürsprecher war ja Estefania auch von Adel und solche Leute genießen fast überall einen Vertrauensvorschuss. Schließlich adoptierte sie mich und auf die gleiche Weise wollte sie sich später noch einen weiteren Sohn anschaffen: dich. Das hätte uns vor dem Gesetz zu gleichberechtigten Brüdern gemacht. Für mich spielt es keine Rolle, dass unsere Eltern vor diesem Verwaltungsakt ermordet wurden.«
»Dir geht es doch nur um dieses Ritual oder was immer du heute Nacht planst. Wenn du selbst ein… ›Wellenreiter‹ bist, so wie ich, wozu brauchst du mich dann überhaupt?«
»Wie gesagt: Mein Vater dachte, sein so gründlich geplanter Sohn könne
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