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Die unsterbliche Braut

Die unsterbliche Braut

Titel: Die unsterbliche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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anderen fort waren und es nur noch Henry und mich gab. Doch so weit wollte ich jetzt noch nicht vorausdenken.
    Trotzdem, all das hatte ich getan, weil ich es musste. Weil jemand mich gezwungen oder auf andere Weise dazu gebracht hatte. Meine Mutter hatte mich mein ganzes Leben lang zu der Person geformt, die die Prüfungen des Rats würde bestehen können; die zwei Freunde, die ich in Eden gefunden hatte, waren nur auf mich zugekommen, weil sie mich in Henrys Arme manövrieren mussten. Auf die eine oder andere Weise hatte der Rat über mein gesamtes Leben bestimmt. Seine Erwartungen machten mich zu einer Bürde für Henry. Meine Ehe war vom Rat beschlossen worden. Selbst meine Geburt war dessen Entscheidung gewesen.
    James hatte recht: Bei nichts in meinem Leben hatte ich jemals selbst die Wahl gehabt. Doch dieses Mal hatte ich sie, und ich würde das Richtige tun.
    „Okay“, sagte ich. „Ich gehe. Wenn Calliope mich umbringt, gebe ich dir die Schuld.“
    Ingrid strahlte. „Das heißt aber auch, dass du es mir hoch anrechnen musst, wenn du ihnen das Leben rettest.“
    „Wie kannst du dir so verdammt sicher sein, dass ich da lebend wieder rauskomme, wenn du mich doch gar nicht kennst?“
    Sanft setzte sie das Kaninchen auf den Boden und schloss mich ohne große Umschweife in die Arme. Mir blieb keine Zeit, auszuweichen, aber ich glaubte auch nicht, dass ich das getan hätte. Ihre dünnen Arme fühlten sich warm an, und ich brauchte eine Umarmung. „Henry glaubt an dich. Das ist für mich Grund genug.“
    „Danke“, erwiderte ich schüchtern. „Ich werd mir Mühe geben.“
    Dann ließ sie mich los, und ich strich auf der Suche nach dem Spalt im Felsen mit der Hand über den Stein. Gerade als meine Fingerspitzen im Felsen verschwanden, hörte ich Ingrid zaghaft fragen: „Kate?“
    „Ja?“ Langsam schob ich die ganze Hand hinein. Es funktionierte. Es funktionierte tatsächlich. Das Herz pochte mir bis zum Hals, als ich die Finger an den kühlen Stein schmiegte und die Wiese um mich herum begann, sich zu drehen. Ich musste nur noch hindurchgehen, und dann …
    Und dann würde ich entweder zurückkommen oder nicht, aber wenigstens würde ich nicht mit dem Wissen leben müssen, dass ich es nicht einmal versucht hatte.
    „Würdest du mich vielleicht mal besuchen kommen?“, bat Ingrid. „Wenn du gerade nichts zu tun hast, meine ich. Calliope war bisher die einzige Gesellschaft, die ich hatte, abgesehen von Henry, und der kommt auch nicht so oft vorbei.“
    Ich wäre selbst dann gekommen, wenn sie nicht gefragt hätte. „Natürlich. Hast du keine Familie?“
    Sie schüttelte den Kopf, und für einen Sekundenbruchteil sah ihr Gesicht aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen. „Henry war meine Familie. Ich habe ihn gekannt, lange Zeit bevor …“ Sie räusperte sich und straffte die Schultern, und dieses Mal wirkte ihr Lächeln gezwungen. „Spielt keine Rolle. Jetzt musstdu überleben, sonst sterbe ich hier unten vor Langeweile, und damit willst du dein Gewissen ja wohl nicht belasten, oder?“
    Ich lachte leise. „Danke für alles. Bis bald.“
    Und ohne noch weiter darüber nachzudenken – ohne der kleinen Stimme in meinem Hinterkopf Gelegenheit zu geben, es mir wieder auszureden oder zu behaupten, James und Ava wüssten besser als ich, was gut für mich wäre –, trat ich durch die Felswand, und die Welt um mich herum wurde schwarz.

12. KAPITEL
    ANGEKETTET
    Dieses Mal war es keine Vision, als ich die Augen öffnete und Kronos’ Höhle erblickte.
    Ich erstarrte, während ich die Situation erfasste. Halb hatte ich damit gerechnet, das Blutbad zu sehen, das Calliope versprochen hatte, bloß dass sie an meiner Stelle Persephone benutzt hätte, um ihre Wut an ihr auszulassen.
    Doch Persephone stand unversehrt im Zentrum der Höhle, ohne einen einzigen Kratzer. Mit zusammengekniffenen Augen, die Hände in die Hüften gestemmt, stand sie Calliope Auge in Auge gegenüber, und keine von beiden sagte ein Wort. Warum war sie nicht in Stücke gerissen oder zumindest blutüberströmt und verletzt? Und wo waren James und Ava?
    Die ältesten Ratsmitglieder lagen immer noch aneinandergekettet im Eingang der Höhle, und soweit ich sehen konnte, waren sie alle bewusstlos. Doch ich zählte nur fünf, und nirgends war Avas unverkennbares blondes Haar zu entdecken.
    Dann sah ich Kronos. Der Nebel wirbelte um die Gitterstäbe seines Käfigs herum, und statt Persephone anzugreifen, bildete er eine Spur bis zu der

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