Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Drew Magary
Vom Netzwerk:
von uns verlangten … Wir wurden gezwungen, uns an einige sehr, sehr dunkle Orte zu begeben.
    Mascis: Sie mussten ältere Mitbürger töten?
    Dmitrow: Ja. Alle, die zu alt oder zu krank waren, um noch von Nutzen zu sein, wurden als Belastung für die Zukunft des Landes angesehen, vor allem, wenn sie sich hatten deaktivieren lassen. Zunächst hat man uns befohlen, sie zu erschießen.
    Mascis: Haben Sie selbst auch jemanden erschossen?
    Dmitrow: Ja, einige von ihnen.
    Mascis: Warum?
    Dmitrow: Weil ich selbst erschossen worden wäre, wenn ich mich geweigert hätte.
    Mascis: Wäre es nicht edelmütiger gewesen, wenn sie sich geweigert hätten und selbst gestorben wären?
    Dmitrow (lacht): Das Konzept des Edelmuts klingt wunderbar. Doch der Edelmut verschwindet schnell, wenn man sich gezwungen fühlt, zwischen dem eigenen Leben und dem Vergessen zu wählen.
    Mascis: Wie viele Menschen haben Sie erschossen?
    Dmitrow: Nicht sehr viele.
    Mascis: Erinnern Sie sich noch an ihre Gesichter?
    Dmitrow: An jede einzelne Falte. An jede einzelne Haarsträhne. Ich versuche, nicht daran zu denken, denn was soll das schon bringen? Ich bin bloß froh, dass ich nicht gezwungen war, noch mehr von ihnen zu erschießen. Nachdem durchgesickert war, dass es diese Erschießungskommandos gab, beschloss Solowjew, dass Austrocknungen effektiver sein würden. Er hatte diese Methode von Ndiaye aus dem Kongo gelernt.
    Mascis (erzählt): Austrocknungen, wie sie zum Beispiel in der kleinen Stadt Dunsk durchgeführt wurden, die über keine eigenständige Wasserversorgung verfügt. 2032 wurden mehr als fünfzigtausend alte Menschen in einen kleinen, von Mauern umgebenen Teil der Stadt gebracht und dort zum Verdursten zurückgelassen.
    Mascis: Waren Sie dabei, als die Menschen nach Dunsk deportiert wurden?
    Dmitrow: Ja.
    Mascis: Hat Sie das nicht belastet?
    Dmitrow: Natürlich, doch ich war in einer bizarren Wahnvorstellung gefangen, so dass ich bloß froh darüber war, sie nicht persönlich erschießen zu müssen. Natürlich macht es keinen so großen Unterschied, ob man die Leute erschießt oder sie einfach im Nirgendwo zum Sterben zurücklässt. Doch in gewisser Weise fühlte es sich nicht so schlimm an. »Es ist kein Mord, wenn die Leute eigentlich ohnehin tot sein sollten«, bläuten uns unsere Vorgesetzten immer wieder ein. Immer dann, wenn wir wieder eine Ladung alter Knacker nach Dunsk brachten. Nach einiger Zeit glaubte ich selbst daran.
    Ich kann mich erinnern, dass ich einmal zu einem Haus kam, um eine alte Frau zu holen und sie auf einen der Lastwagen zu verfrachten. Ihre Familie stellte sich mir in den Weg, flehte mich verzweifelt an, sie freizulassen. Ich konnte bloß immer nur an meine Großmutter denken. Die Polizei hatte sie uns weggenommen. Und hier war ich nun. Jetzt war ich der Typ, der meine Großmutter gestohlen hatte! Das war jetzt ich! (lacht)
    Mascis: Sie lachen.
    Dmitrow: Nun, wie soll ich denn sonst darauf reagieren? Das Lachen hilft mir, damit umzugehen. Ich weiß nicht, wie ich sonst mit meinen Erinnerungen fertig werden soll.
    Mascis (erzählt): Nachdem er Mission um Mission erfüllt hatte, begann die Arbeit Dmitrow zu ermüden – seine Aufträge waren zu grauenhaft und die Bezahlung seiner Kompanie nach einer erfolgreich durchgeführten Mission zu gering.
    Dmitrow: Uns fiel auf, dass unsere Nahrungsmittelvorräte immer kleiner und kleiner wurden. Und unser Wodkavorrat wurde ebenfalls immer kleiner und kleiner. Wir wurden ständig ausgeschickt, um nach Ressourcen zu suchen, und wenn wir schließlich etwas fanden, dann wurde es uns sofort abgenommen und an die Männer weiter oben in der Hierarchie weitergereicht.
    Mascis: Sie hatten nicht das Gefühl, einen gerechten Anteil abzubekommen?
    Dmitrow: Es fühlte sich so an, als würden wir gar keinen Anteil abbekommen. Da waren wir also, wir machten die ganze gefährliche Arbeit, wir opferten unsere Seelen, und dennoch wurde der Lohn dafür immer geringer. Das Wasser. Die Kohle. Die Frauen. Alles ging an die Regierungsbeamten oder an die Mafia. So, wie ich es bereits als Kind erlebt hatte. Wir schickten zwar Leute auf die Farmen, doch eigentlich waren wir selbst ebenfalls ein Teil dieser Farmen. Wir waren Diener, genauso wie die Letten und die Ukrainer, die wir entführten.
    Als wir wieder einmal in eine kleine rumänische Stadt geschickt wurden, wollten wir zunächst so vorgehen wie sonst auch: Wir wollten die Stadt niederbrennen und alles und jeden mitnehmen, der für uns von

Weitere Kostenlose Bücher