Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
halten.
Seit zwei Jahrzehnten bestellt Matt das gemeinsame Mittagessen für die Mannschaft, und es ist immer ein zweifelhaftes Vergnügen. Er fragt ständig, was wir essen wollen, doch dann schlägt er jeden Vorschlag aus, den wir vorbringen. Daher kann sich das Mittagessen bis weit nach zwei Uhr nachmittags hinziehen. Ich beende das Spiel oft gegen zwölf Uhr dreißig, um mir selbst etwas zu holen, da ich verdammt gut weiß, dass es auch drei Uhr oder noch später werden kann, bis man etwas Essbares zu Gesicht bekommt.
Jeden Mittwoch findet auf dem Parkplatz im Eden-Reservat ein Markt statt, auf dem man Obst, Gemüse, getrocknete Lebensmittel und sogar Fleisch kaufen kann. Man bekommt auch getrockneten Fisch oder Shrimps, aber das kostet ein Vermögen. Das Restaurant Die vier Schwestern hat dort einen Stand, wo mit Tofu, Minze, Nudeln und Frühlingszwiebeln gefüllte Reismehlfladen verkauft werden. Genau daran dachte ich, als ich durch den feuchten Gang ging und schließlich wieder hinauf an die Oberfläche stieg und auf dem Marktplatz ankam. Ich hatte meine Pistole dabei, und um meinen Hals baumelte meine Euthanasie-Spezialisten-Lizenz.
Ich stieg die matschige Rampe empor, bis ich Linoleum unter meinen Füßen spürte. Ich war im Atrium angekommen. Durch die Glastüren winkte mich der Markt zu sich. Ich trat hindurch und fand mich unter freiem Himmel und mitten im mittäglichen Chaos wieder. Arbeiter liefen kreuz und quer über die Bürgersteige und trugen Paletten mit Kohl auf den Köpfen. Büroangestellte standen mit einem Kaffee und einem Sandwich in der Hand herum und sahen sich nach einem Platz um, wo sie sich hinsetzen und essen konnten. Es gab Unmengen an Ständen, die selbstgemachten Schmuck verkauften und die unmöglich einen Gewinn machen konnten. Ich ging auf den Stand der Vier Schwestern zu und stellte mich in die Reihe der Wartenden. Ich öffnete meinen WEPS, um Matt zu schreiben, ob er auch etwas wollte. Er meinte, ich sollte mich ins Knie ficken.
Ich drückte ihn weg und sah etwas Erdbeerrotes am Rande meines Blickfelds auftauchen. Ein Haarschopf, der aus den größtenteils vietnamesischen Köpfen herausragte wie ein Regenschirm. Ich drehte mich danach um und sah den Rücken einer Frau, die einen engen Jeansrock und ein rotes Tank-Top trug. Sie hatte einen aufsehenerregenden Körper. Einen verführerischen Gang, der einen dazu aufforderte, ihren stolzen Schritten zu folgen. Eine gleitende Gestalt, die pures Verlangen auslöste. Ich ließ die Schlange links liegen und ging ihr nach. Ich schlängelte mich durch das Gedränge von Arbeitern und Kunden hindurch. Ich holte den WEPS hervor und machte einen Schnappschuss, um ihre Identität festzustellen. Die Umrisse ergaben einen Treffer. Sie blieb an einem Kaffee-Stand etwa neunzig Meter entfernt stehen und wartete geduldig. Ich ging hin und her und ließ mich mit den Fußgängern treiben, nach links und nach rechts, bis ich schließlich langsam näher kam, ohne jedoch direkt in ihr Blickfeld zu gelangen.
Doch dann vermasselte ich es und rannte direkt in einen Arbeiter, der eine Kiste mit Melonen trug. Sie fielen zu Boden und zerbrachen auf dem Asphalt. Ich bückte mich und half dem Arbeiter, die Sauerei zu beseitigen, ohne jedoch ein Wort zu sagen. Ich hielt meine Augen einen Moment lang auf den Boden gerichtet. Genau diese eine wichtige Sekunde lang, von der ich wusste, dass sich die Menschen umdrehen würden, um zu sehen, was passiert war. Ich ließ die Sekunde vergehen, dann sah ich auf. Sie war fort.
Ich fuhr hoch und sah einen Tupfen Rot, der im hinteren Teil des Marktplatzes verschwand. Ich rannte los und ihr hinterher. Das Restaurant der Vier Schwestern befand sich am linken hinteren Rand des Platzes, und ich sah, wie sie darauf zulief. Ich rannte durch die Menschenmassen hindurch. Ein Mann versuchte, mich aufzuhalten. Doch ich schrie »Euthanasie-Spezialist! Euthanasie-Spezialist! Euthanasie-Spezialist!« und die Menge teilte sich vor mir. Sie drehte sich um und sah mich an. Plötzlich standen wir wieder in der Nähe der Queensboro Bridge, sie war blond und der achte Stock des Gebäudes in der East Fifity-Seventh Street Nummer 400 flog plötzlich in die Luft und meine beste Freundin löste sich in Nichts auf. Solara Beck warf mir denselben Blick zu, den sie mir vor sechs Jahrzehnten zugeworfen hatte: eine Mischung aus Angst und Verärgerung, die ich damals nicht verstanden hatte, die ich mittlerweile jedoch in allen Einzelheiten kenne. Da
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