Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
gelangte endlich bis zu unserem Auto. Er kratzte und bellte, und ich sah seine Schnauze immer wieder vor meinem Fenster auftauchen. Virginia Smith blieb, wo sie war, und sah uns mittlerweile offensichtlich misstrauisch an. Ich wurde rot. Jede Ader in meinem Gesicht füllte sich plötzlich mit heißem Blut.
»Wir können das nicht machen«, erklärte ich Matt.
»Wir haben keine andere Wahl.«
»Diese Ausrede habe ich früher schon benutzt. Es bringt nichts.«
»Ist das also nun die imaginäre Linie, die du für dich selbst ziehst, Johnny Boy? Ist das der Punkt, wo dir der Appetit am Töten vergeht?«
»Es wäre Mord.«
»Mein Gott, das ist doch verdammt noch mal immer so. Sie bluten alle. Wenn ich die alte Dame grün angemalt hätte, hättest du ihr mittlerweile bereits den Schädel weggeblasen. Du ziehst bloß Linien im Sand, um dich selbst zu beruhigen.«
»Ich werde es nicht machen.«
»Dann muss ich dich feuern.«
»Das war’s dann also? Zwanzig Jahre – und dann endet es so?«
Er biss in eine Brezel und sprach mit vollem Mund: »Ja. Wie soll ich weiter mit dir arbeiten, wenn ich weiß, dass du nicht tust, was du tun sollst? Was hätte das für einen verdammten Sinn, John?«
Ich saß da, während der kleine Hund versuchte, sich ins Innere unseres Autos durchzugraben, und Mrs. Smith ins Haus stürzte und ihren WEPS hervorholte, um jemanden anzurufen. Ich sah sie an – eine kleine, angsterfüllte Frau, deren Gastfreundschaft offensichtlich überbeansprucht worden war –, und ich dachte an Julia. An den ersten Menschen, den ich mit eigenen Händen getötet hatte. Ich hatte sie getötet, während sie einen Höhepunkt gehabt hatte, und wer weiß schon, ob ihr entspanntes und glückliches Gesicht auf dem Kissen bedeutete, dass ich ein Mörder war oder aus Mitleid gehandelt hatte, oder ob es nicht irgendetwas dazwischen gewesen war. Tod blieb Tod – hässlich und entblößt. Ich wandte mich Matt zu. Ich prägte mir sein Gesicht ein, da ich wusste, dass es das letzte Mal sein würde, dass wir miteinander sprachen.
»Gut«, sagte ich. »Ich mache es.«
»Siehst du? Das war doch nicht so schlimm. Ach ja, ich habe übrigens die Akte von Solara Beck nie weggeschickt.«
»Warum nicht?«
»Weil du ein lausiger Lügner bist. Ich mache dir keinen Vorwurf. Sie sieht heiß aus. Du kannst es ja noch einmal versuchen. Aber das hier bleibt dein einziger Versuch. Ruf mich an, wenn es erledigt ist.« Er legte auf.
Der Hund jaulte. Mrs. Smith geriet in Panik. Es gab keine Möglichkeit, Solara zu kontaktieren, ohne entdeckt zu werden, und es kam mir vor, als würde sich der Potomac zwischen uns zu einem Ozean ausweiten. Ich wandte mich wieder an Ernie. »Ich habe Matt angelogen.«
»Das weiß ich«, sagte er. »Und er weiß es auch.«
»Ziehst du das hier wirklich durch?«
Er grinste mich freudlos an. »Ich erzähle dir jetzt etwas. Ich habe eine Frau und Kinder und neue Kinder und Enkelkinder und neue Enkelkinder, an die ich denken muss. Du nicht. Wir sitzen nicht im selben Boot. Ich habe meine eigene kleine Welt, die ich schützen muss. Es gefällt mir nicht, aber es ist, wie es ist. Du bist freier als ich, wenn es um diese Sache hier geht. Für mich ist es nicht mehr realistisch, Prinzipien zu haben. Es geht hier nur um den Job.«
Ich legte mir einen unausgegorenen Plan zurecht und ging vollkommen darin auf, auch wenn ich mir noch keine Gedanken über die Folgen gemacht hatte. »Wir machen es so«, erklärte ich Ernie. »Wir fahren von hier fort, und du rufst Matt an und erzählst ihm, dass ich dich mit einer Waffe bedroht habe und vollkommen ausgerastet bin. Ich habe dich gezwungen zu fliehen, ohne die alte Dame umgebracht zu haben. Du kannst mich den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Und dann verschwinde ich für immer und ewig.«
»Was soll das Ganze? Auch wenn du streikst, es gibt einen Riesenhaufen Virginia Smiths dort draußen.«
»Das ist mir egal. Du kannst tun, was du tun musst. Ich werde es dir nicht verdenken. Aber lass sie am Leben. Das ist alles, worum ich dich bitte. Bitte, Ernie. Erzähl ihm die Geschichte, damit wir es nicht wirklich durchziehen müssen. Du bist mein Freund, und ich möchte es nicht.«
Mrs. Smith starrte uns durch das Fenster an, es herrschte mittlerweile blankes Entsetzen. Sie schrie den Hund an, er solle vom Auto wegkommen. Sie bettelte Ernie an. Er dachte über meinen Vorschlag nach und wischte die Willkürlichkeit des Ganzen mir zuliebe beiseite.
»Okay«, sagte er. »Sie
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