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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Drew Magary
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ich hatte das Gefühl, dass im selben Moment alles um mich herum zusammenbrach.«
    »Was ist mit ihr geschehen?«
    »Sie lebt in einem Altenheim. Alzheimer. Sie veröffentlichen jede Woche ein Foto von ihr auf der Homepage des Heims, und ich werfe immer nur einen kurzen Blick darauf. Ich ertrage den Gedanken nicht, dass sie nun so aussieht. Dass ich so aussehen würde. Ich denke, dass Leute wie dein Boss sie bald aufspüren und das Altenheim in die Luft jagen werden.«
    »Und was ist mit deinem Bruder?«
    »Er ist tot. Er wurde von einem Elektroauto niedergefahren.«
    »Mein Gott.«
    »Nun, er war drogenabhängig. Am Ende hatte er kaum noch etwas vom Leben.« Sie sah zu mir hoch. »Alle, denen ich vertraut habe, haben mich im Stich gelassen, John. Aber ich weiß nicht, was ich tun kann, außer es weiter zu versuchen. Zu hoffen, dass ich den einen Menschen finden werde, der mich nie mehr verlässt.« Sie legte ihre Hand auf meine und drückte sie fest. »Ich weiß nicht, ob ein solcher Mensch wirklich existiert.«
    »Doch.«
    »Wo sind die Menschen, denen du vertraut hast?«
    »Sie sind alle tot«, erklärte ich ihr. »Es leben zwanzig Milliarden Menschen auf dieser Welt, doch die einzigen, die von Bedeutung sind, sind die, die nicht mehr hier sind. Und du.«
    »Nun, ist das nicht zum Kotzen?«
    Genau in diesem Moment begann mein WEPS verrückt zu spielen. Ich öffnete sofort das Display, und wir sahen die Schlagzeile unter dem Videobeitrag:

    DREI US-RAKETEN BEWEGEN SICH AUF DEN RUSSISCHEN LUFTRAUM ZU

    Die Türen der gerade noch ruhig dastehenden Elektroautos flogen auf, und die Fahrer strömten auf den kleinen Supermarkt zu. Ich sah, wie überall im Reservat die Displays geöffnet wurden und sich die Menschen zu Dutzenden auf den Weg ins Zentrum machten.
    Ich wandte mich an Solara: »Essen.«
    »Wasser«, antwortete sie.
    Sie schnappte sich die Pumpgun. Ich nahm zwei Pistolen und eine Plastiktasche mit. Wir sprangen aus dem Auto und liefen auf den Supermarkt zu, wo bereits die ersten Plünderer eingetroffen waren.
    Sämtliches Wasser und sämtliche Milch waren bereits fort. Ich sah Eltern mit Babys auf den Armen, die sich gegenseitig umrempelten, um noch etwas Puder und Windeln zu bekommen. Die LKW-Fahrer, die sich bereits alles Notwendige gesichert hatten, winkten dem Kassierer mit ihren Schlüsseln zu und sagten, er solle ihnen verrechnen, was auch immer er wollte. Ich sah eine Kiste mit irgendeinem fruchtigen Protein-Drink und warf so viel davon wie möglich in meine Tasche, bevor mich ein anderer Mann aus dem Weg stieß, um sich seinerseits zu bedienen. Solara schnappte sich Schachteln mit kandiertem Popcorn und kleine Säckchen mit Müsli und klammerte sich daran fest, während andere versuchten, ihr die Schachteln aus den Händen zu reißen. Sie lief mit einer mageren Ausbeute aus dem Laden, und ich gesellte mich zu ihr. Gemeinsam eilten wir zum Auto. Die Schlange vor dem Ausgang des Reservats wurde bereits immer länger. Alle hatten mitgenommen, was möglich gewesen war, und nun wollten sie fort von hier.
    Dann fiel der Strom aus.
    Sämtliche Stromnetze brachen auf einmal zusammen – nicht bloß eine Handvoll, wie üblich. Der alles durchdringende Schimmer, der die einzige Nacht darstellte, die ich seit Jahren kannte, verschwand plötzlich, und die Sterne erwachten zum Leben, als hätte jemand einen Lichtschalter betätigt – als wäre die Erde plötzlich ihrer Atmosphäre beraubt worden. Die Menschen schrien. Ich hörte, wie ein Fenster des kleinen Supermarkts zu Bruch ging. Wir sprangen ins Auto und reihten uns in die Schlange ein. Das Netz meines WEPS.8 war ausgefallen. Alle Netze waren ausgefallen. Die Satelliten funktionierten nicht mehr oder waren zerstört worden. Zum ersten Mal, seit ich ein Kind gewesen war, umfasste meine Welt nur noch meine unmittelbare Umgebung. Solara. Mich selbst. Alle, die in dem sicheren Reservat gefangen waren. Das war alles. Die Batterie des Autos war voll aufgeladen und würde für die nächsten achtundvierzig Stunden reichen. Das lausige Essen würde kaum so lange halten.
    Die Schlange bewegte sich langsam in Richtung Highway. Ich legte eine Hand auf das Lenkrad, die andere ruhte auf meiner Pistole. Solara hielt die Pumpgun zwischen ihren Füßen, die Mündung berührte die Fußmatte. Wir legten etwa zwölf Kilometer zurück, dann geriet der Verkehr ins Stocken. Vielleicht gab es noch einige Typen, die in ihren Reservaten blieben, doch der Rest bewegte sich mit seinen

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