Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
verrückt danach. Letzte Woche waren wir bei einer Scheidungsparty eingeladen. Ich sage ja, es ist eigenartig .«
»Bist du hingegangen?«
»Mein Gott, nein! Ich musste mich vierzig Minuten unter die Dusche stellen, nachdem ich die Einladung gelesen hatte. Ich kenne die Frau, die sich hat scheiden lassen: Karen Welsh. Sie wollte sich nicht scheiden lassen. Und der Gedanke daran, dass sie mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht dasitzt und so tut, als hätte sie ihre Freiheit wiedererlangt, ist grauenhaft. Ich glaube, ich würde mich auf einer Party in einem Swinger-Club wohler fühlen.«
»Weißt du, ich wäre hingegangen. Immerhin wäre es nicht so langweilig gewesen wie eine gewöhnliche Cocktail-Party. Es hätte zumindest eine interessante, eigenartige Atmosphäre geherrscht.«
»Aber das Leben dieser Menschen wurde zerstört, John. Findest du das wirklich so amüsant? Was würdest du sagen, wenn ich dich zu meiner Scheidungsparty einladen würde?«
Ich starrte auf die Krümel und die kleinen Flecken vor mir auf dem Tisch. »Es tut mir leid. So habe ich das nicht gemeint.«
»Es ist nicht komisch. In zehn Jahren werde ich keine Familie mehr haben. Ich werde gezwungen sein, wieder von vorn anzufangen. Mit vierundfünfzig.«
»Aber dein Deaktivierungsalter ist doch fünfunddreißig.«
»Als ob das etwas ändern würde. Du wirst schon sehen: Wir Fünfunddreißigjährigen werden in Zukunft die alte Generation dieser Gesellschaft sein. Ich werde die jüngste alte Jungfer der Welt sein.«
»Sag das doch nicht.«
»Ich möchte die Familie, die ich bereits habe. Klar, sie ärgern mich manchmal zu Tode, und manchmal möchte ich aus dem Haus gezaubert werden und allein einen Monat nach Italien fliegen, wo mich ein kräftiger Kerl namens Gianni mit Weintrauben füttert. Aber damit muss man sich abfinden, wenn man eine Familie hat. Das ist ein Teil des Pakets. Es macht mir nichts aus. Es ist besser, als jedes Jahrhundert eine neue, eigenartige Familie gründen zu müssen. Ich möchte es nicht, John. Ich möchte das, was ich hatte, bevor das alles begonnen hat.«
»Und was machst du jetzt?«
Sie leerte die Flasche. »Ich weiß es nicht. Und das ist das Schlimmste überhaupt.«
GEÄNDERT AM:
06.01.2031, 11:34 Uhr
»Am Ende sah man nur noch Rauch«
Aus dem Newsfeed des Radiosenders KLDR:
Zweiundsiebzig Tote nach Sturm auf Soda Springs
Von Kenneth Duran und Tony DeSoto
SODA SPRINGS, IDAHO – Zweiundsiebzig Menschen, darunter sechzehn Mitglieder der Nationalgarde, starben heute Morgen, nachdem die Regierung die Stürmung der Stadt Soda Springs angeordnet hatte, die sich hinter einer Mauer verschanzt hatte.
Soda Springs, Heimat einer Mormonensekte, die gegen die Deaktivierung eintritt, stand seit dem Beginn des letzten Jahres unter ständiger Beobachtung. Damals hatten die Einwohner beschlossen, von nun an keine Steuern mehr zu zahlen und eine riesige Grenzmauer um ihre Stadt zu errichten. Versuchen des FBI und anderer Exekutivorgane, mit Sektenführer Thomas Maskin und Sheriff Bill Haskell in Verhandlungen zu treten, wurde mit Schweigen und gezückten Waffen begegnet.
Nachdem die Situation beinahe vier Monate lang unverändert geblieben war, gab die Generalbundesanwältin der Vereinigten Staaten von Amerika der Nationalgarde den Befehl, die Mauer niederzubrechen und die Stadt gewaltsam einzunehmen. Dem ersten Versuch einer Panzereinheit begegneten die Einwohner der Stadt, die sich hinter und auf der Mauer versammelt hatten, mit einem schweren Artilleriefeuer. Scharfschützen der Regierung, die außerhalb der Stadtgrenzen stationiert waren, konnten zahlreiche Angreifer ausschalten. Zeugen erzählten von riesigen Feuern mitten in der Stadt, die die Sektenmitglieder offensichtlich selbst gelegt hatten.
Darüber hinaus wurden zahlreiche Pro-Todes-Terroristen erschossen, die sich außerhalb der Stadt versammelt hatten und versuchten, den Angriff zu vereiteln.
»Als wir schließlich den Rammbock einsetzten, um die Mauer zum Einsturz zu bringen, waren wir plötzlich umzingelt«, erzählt ein Nationalgardist, der anonym bleiben möchte. »Die Sektenmitglieder beschossen uns von vorn, und von hinten kamen diese verrückten Pro-Todes-Fanatiker. Sogar die Kinder trugen Waffen. Wir hatten nicht genügend Männer, um die Operation zufriedenstellend durchführen zu können. Wir schossen uns buchstäblich den Weg hinaus wieder frei. Am Ende sah man nur noch Rauch.«
Hunderte Menschen, die sich in der Stadt befunden
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