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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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die Firma vom amerikanischen Präsidenten eine Bürgschaft erhielt. Elisabeth nahm den Jobmit einem von Galgenhumor begleiteten Schulterzucken an.
    Sie wußte ebenso wie Thomas, daß sie es nur um der Familie willen tat. Sie war es, die die Familie zusammenhielt, dachte Thomas Brenner, während er im Wagen nach vorne ging und spürte, daß Freude in ihm aufstieg wie immer, wenn er eine seiner Damen erblickte.
    Sie lächelten zurück, und als er nun Annika leibhaftig sah, war ihm unvorstellbar, daß er gedacht hatte, es könnte doch schön sein, wenn sie heute nicht dabei wäre. Schließlich war sie jedesmal dabeigewesen. Sie war wie immer die lustige, sprudelnde Annika, selbst dann, wenn offensichtlich war, daß es ihr nicht gutging, wenn sie heimlich die Flaschen im Kühlschrank leer trank und Geld für Narkotika brauchte, so daß Elisabeth und Thomas sich ernsthaft sorgten. Momentan hatte sie eine gute Phase. Sie hämmerte oben in ihrem Kinderzimmer, das ihr gleichzeitig als Werkstatt diente, an einem Silberarmband. Es roch nach geschmolzenem Metall, und stundenlang dröhnte die Musik von Prodigy aus ihrem Zimmer.
    Sie könnte ein schönes Leben als Silberschmiedin führen, dachte er, aber die Stücke, die sie herstellte, waren immer so schwerfällig, plump und unförmig. Es tat ihm jedesmal weh, wenn sie ihn unschuldig fragte, ob ihm die neue Kette, das Armband oder die Ohrringe, die sie gemacht hatte, gefielen, und er hörte sich ebenso schamlos lügen wie Elisabeth und sagen, daß es fantastisch sei, reizend und schön. Es schien sogar, als würde sie ihnen glauben, so hellte sich ihr Gesicht auf, und sie küßte beide zum Dank auf die Wange. Sie stellte in verschiedenen Galerien der Stadt aus. Kleine, geschmackvolle Räume, die kaum jemand kannte, die aber immerhin im Veranstaltungskalender der Abendausgabe des Aftenposten aufgelistetwaren. Unzählige Male waren Elisabeth, Line und Thomas zu Vernissagen marschiert, zu denen auch die wenigen seltsamen, aber immer freundlichen und etwas arroganten Gestalten kamen, die Annika ihre Freunde nannte, die sie sonst aber nie traf.
    Die Ausstellungen waren immer gemeinschaftlich mit anderen Künstlern, meistens Graphikern und Malern, und während bei denen rote Zettel an den Bildern klebten, verkaufte Annika nie etwas, auch ihre Freunde kauften nicht, aus offensichtlichen Gründen, denn sie sahen nicht so aus, als könnten sie überhaupt etwas kaufen, sondern wären vor allem gekommen, um ein Glas lauwarmen Sekt und bestenfalls ein paar Käseschnittchen zu ergattern. Wie traurig für Annika, mußte Thomas jedesmal denken.
    Es endete regelmäßig damit, daß Thomas und Elisabeth ihr etwas abkauften, damit sie wenigstens auch einen roten Zettel bekam. »Ach, das ist ja so reizend. Das muß ich einfach haben«, sagten sie dann fast im Chor. Und Annika schien sich keine tieferen Gedanken über die Situation zu machen. Sie wirkte jedesmal aufrichtig erfreut und lief zur Galeristin, meistens ein versoffenes, aufgedonnertes Frauenzimmer mit klarem Geschäftssinn, und sagte, sie habe etwas verkauft.
     
    O ja, dachte Thomas, als er sah, daß Elisabeth wieder die viel zu schweren Ohrringe trug, die sie bei der letzten Ausstellung der Tochter gekauft hatte und die ihren Ohrläppchen nicht guttaten. Thomas seinerseits hatte sich angewöhnt, bei manchen Anlässen eine Krawatte zu tragen, um die eher bizarren, penisförmigen Schlipsnadeln anstecken zu können, mit denen er aussah wie der Bischof einer der neuen, freien Kirchen oder wie der Ritter einer besonders geheimen, perversen Loge.
    Aber nun saßen die beiden vor ihm und lächelten ihn an. Und er hatte das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen. Es wurde viel umarmt in der Dahl-Brenner-Familie. Nur einige Stunden der Abwesenheit, und man mußte sich umarmen. Das kam aus der Dahl-Familie. Die Brenner-Familie verlangte nicht so verzweifelt nach Liebesbekundungen. Das lag sicher an Tulla, die das Leben gelebt hat , wie ihr Mann zu sagen pflegte. Menschen zu umarmen war fast ein Teil ihres Berufes gewesen. Jetzt war es Thomas, der seine Frau und seine Tochter umarmte und sich auf der anderen Seite des Mittelganges einen Platz suchte.
     
    Elisabeth Dahl musterte ihn. Sie ist mit den Jahren immer mitfühlender geworden, dachte er. Sie war anfangs nicht so empathisch. Das buddhistische Denken hatte etwas in ihr bewirkt.
    Als sie mit 23 Jahren mit der Novellensammlung Protuberanzen debütierte, also so alt war wie Line jetzt, hatte sie

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