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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Gegensatz zu dem, was Thomas für Bergljot und Gordon empfand. Er fühlte sich ehrlich verbunden mit ihnen, auch als er Medizin studierte und seine Gedanken woanders haben sollte. Vielleicht hing es auch mit seiner Beziehung zu Elisabeth zusammen, die ihre Eltern so offensichtlich schätzte, die sogar zu allen Klassenkameraden sagte, sie wolle lieber mit Tulla und Kaare in der Bibliothek im oberen Stock zusammensein, als beim Ball der Schule zu erscheinen. Sie mochte ihre Geschichten, ihren Witz. Sie mochte es ganz einfach, mit ihnen zusammenzusein.
     
    »Kann ich helfen?« fragte Leila.
    »Vielleicht«, sagte Thomas aufrichtig. Leila war eine Frau und wußte besser, was Bergljot brauchte, als er, der das mühsam erraten mußte. »Kommen Sie mit hinauf in ihr Schlafzimmer.«
    Und trotzdem ein eindringlicher Blick zur Mutter: »Gibt es gar nichts, was du gerne mitnehmen möchtest?«
    Bergljot Brenner schielte hinauf zu ihrem Sohn, schüttelte entschieden den Kopf, schaute ihn wieder an, als wolle sie ihn zu ihrem einzigen Verbündeten machen, obwohl Gordon direkt neben ihr saß. »Da ist nichts, was ich gerne mitnehmen möchte«, sagte sie.
    Die Worte trafen ihn wie eine Ohrfeige. Meinte sie das ernst? War sie sich im klaren darüber, was sie sagte? Er schaute den Vater an, aber der hatte offenbar nicht gehört, was sie gesagt hatte, sondern starrte Hussein an, als würde er überlegen, ob dieser Fahrer vielleicht der neue Ehemann seiner Frau werden könnte.
    »Wir müssen jedenfalls einige Kleidungsstücke mitnehmen«, sagte Thomas. »Ich gehe mit Leila hinauf ins Schlafzimmer.«
    Die Mutter wurde hellwach. Sie hatte immer einen Sinn für Details gehabt.
    »Packt meine Wollstrumpfhosen ein«, sagte sie. »Die Zahnbürste natürlich. Und das Nachthemd. Einige Ersatzunterhosen?«
    Sie schaute ihn fragend an, als sei jetzt er der Verantwortliche.
    »Natürlich, Mutter«, sagte er nur.
    Leila begleitete ihn in die obere Etage. Hussein blieb bei Gordon sitzen.
    »Ich weiß, wie schwierig das ist«, sagte Leila mitfühlend.
    »Dabei hat sie noch Glück«, antwortete Thomas, »daß sie einen Platz im Pflegeheim bekommen hat.«
    Leila nickte, öffnete den Schlafzimmerschrank und fand mit geübtem Blick das Nötige. »Das sollte sie mitnehmen, und das braucht sie ebenfalls.«
    Thomas Brenner merkte, daß sie mit der gleichen Bestimmtheit vorging wie früher Bergljot, wenn praktische Lösungen verlangt wurden.
    »Wenigstens sind die Schränke im Pflegeheim groß genug«, sagte Leila mit einem resignierten Lachen. Er versuchte einzustimmen.
    »Vielen Dank für die umsichtige Hilfe«, sagte er.
    »Gern geschehen.«
     
    Sie kehrten mit zwei Plastiktüten zurück. Es zeigte sich, daß alles darin Platz hatte. Die Alten saßen wie versteinert im Erker, hielten sich an den Händen. Thomas Brenner fühlte sich wie ein Eindringling. Der Vater zeigte jetzt einen bitteren, fast wütenden Gesichtsausdruck, als könne er jeden Augenblick explodieren.
    »Ich glaube, es ist Zeit«, sagte der Sohn vorsichtig.
    »Ja, so ist das, mein Freund«, sagte Bergljot und löste ihre Hand von seiner. »Ich muß jetzt gehen, Gordon«, sagte sie und machte Anstalten, sich zu erheben. Thomas verspürte eine ungeheure Dankbarkeit, weil sie es ihm so leichtmachte.
    »Was geschieht nun mit dem Ehemann?« fragte Leila als sie sah, wie hilflos er wirkte. Thomas wußte nicht, was er antworten sollte. Es war gewissermaßen Gordon Brenners Schuld, daß diese Situation entstanden war. Er hatte alles darangesetzt, alt zu werden und möglichst in diesem Haus zu sterben, und vielleicht würde sich dieser Wunsch für ihn erfüllen, denn solange er aus eigener Kraft zur Toilette gehen konnte, hatte er kein Anrecht auf einen Platz im Pflegeheim. Und obwohl er inzwischen auch begonnen hatte, Windeln zu tragen, würde die Stadtverwaltung es aus finanziellen Gründen unterstützen, daß er weiterhin zu Hause lebte.
    »Er kommt erstaunlich gut in diesem Haus zurecht«, sagte Thomas, überzeugt, daß der Vater das hören wollte. Er war es schließlich, der es abgelehnt hatte, sich um einen Platz im Pflegeheim zu kümmern. Er hatte die Türschwellen entfernen lassen und das Haus zu einem Vorzeigemodell für den ambulanten Pflegedienst umgestaltet. Alletäglichen Hilfsmittel waren ausgetauscht worden, waren größer und funktioneller. Die Stühle hatte man mit Klötzen erhöht, die Telefone waren riesige Spielzeugapparate, und wenn sie klingelten, schien das Haus zu

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