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Die unterirdische Sonne

Die unterirdische Sonne

Titel: Die unterirdische Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Noah tat oder sagte – wenn er überhaupt mal den Mund aufbrachte –, klang in ihren Ohren wie eine Provokation, wie eine versteckte Beleidigung.
    »Reg dich wieder ab«, sagte Conrad.
    »Ich hab mich nie aufgeregt.« Noah drehte sich erneut zu Sophia um. »Was hab ich dir getan, dass du mich ignorierst?«
    Sophia stieß einen Seufzer aus. Wenn er so weitermachte, dachte sie, würde einer der Männer kommen und ihn abholen, und sie würden ihn nie wiedersehen. Wie Eike. Sie ging zum Bad und klopfte an die Tür. »Ist alles in Ordnung, Maren?«
    Nach einer Zeit lang wurde die Tür geöffnet. Maren sah bleich aus, ihre Augen waren gerötet, ihr Kleid hatte dunkle Flecken, die Sophia vorher nicht bemerkt hatte. »Was ist mit dir?«
    Maren schniefte, krallte die Finger ins Kleid. »H-hab ged-dacht, er sch-schlägt uns t-tot. N-Noah.« Sie vermied den Blickkontakt mit ihm und starrte die Tür an.
    »Spinnst du?« Noah machte einen Schritt. Maren zuckte zusammen. Sophia legte ihr den Arm um die Schulter und führte sie von der Tür weg.
    »Sei still«, sagte Sophia zu Noah. Er zeigte keine Reaktion. »Wie kommst du denn auf so was, Maren? Wir erschlagen uns doch nicht gegenseitig.«
    »D-der ist g-gefährlich.«
    »Ignorier ihn einfach.«
    »Ich will nicht ignoriert werden«, sagte Noah.
    Sophia und Maren setzten sich nebeneinander an den Tisch, mit dem Rücken zum Raum.
    »Du bist wie der Eike«, sagte Leon mit einem hastigen Blick auf Noah.
    »Der, der auch schon mal hier war?«
    »Genau.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Conrad.
    »Er ist wahrscheinlich tot.« Wie schuldbewusst blickte Leon zu Boden. Conrad legte sich auf seine Matratze und zog die Decke bis zur Schulter.
    »Eike ist nicht tot.« Sophia streichelte Marens Gesicht. Leon wünschte, sie würde seines auch streicheln.
    Noah hinkte zur Tür und horchte, obwohl ihm klar war, dass er von seinem Platz beim Tisch genau dasselbe gehört hätte: nichts. Er brauchte Bewegung. In seinem Bein brannte wieder diese Lunte, wie in den Monaten nach der Operation, er hätte schreien können vor Schmerz und Zorn.
    Leon bemerkte Noahs verzerrtes Gesicht, wagte aber nicht, ihn darauf anzusprechen. Unschlüssig klopfte er die Fäuste aneinander, hoffte, Conrad würde etwas sagen oder aufstehen und den Fernseher anstellen. Als nichts dergleichen passierte, schaute Leon sich um wie jemand, der einen Platz suchte, um sich erschöpft niederzulassen. Er konnte sich nicht entscheiden. Am liebsten hätte er sich zu den Mädchen gesetzt. Vielleicht hätte Sophia wieder eine Geschichte aus der Bibel erzählt, so lange, bis er nicht mehr an seine Mutter denken musste.
    Seit mindestens einer Woche hatte er nicht mehr an sie gedacht und seit heute Morgen andauernd. Leon glaubte, es habe etwas mit der frischen Luft von draußen zu tun oder dem, was die Luft in ihm ausgelöst hatte. Eine Erinnerung, an die er sich nicht mehr erinnern konnte. Das Zusammensein mit seiner Mutter an einem fremden Ort, wahrscheinlich am Meer. Er kam nicht drauf.
    Was er fast sicher wusste, war, dass er als Drei- oder Vierjähriger mit seinen Eltern in Italien am Meer gewesen war, damals, als sie noch zu dritt waren. Allerdings hatte seine Mutter ihm die Geschichte oft erzählt, und inzwischen war er nicht mehr sicher, ob er sich tatsächlich an die zwei Wochen am Strand erinnerte.
    Angeblich hatte er jeden Tag ein grünes Eis vom Eisverkäufer und einen vollen Teller Nudeln mit Tomatensauce in einem Lokal am Straßenrand gegessen. Alles ewig her.
    Trotzdem hatte ihn die kühle Luft heute früh aus dem Keller woanders hingetrieben, und er hatte immer noch nicht begriffen, wohin. Er bemerkte nicht einmal, wie ihm wieder Tränen über die Wangen liefen.
    Noah beobachtete ihn. Was für ein Baby, dachte er. Doch in dem Moment, als er ihm sagen wollte, er solle endlich mit der Heulerei aufhören, fuhr Sophia auf ihrem Stuhl herum und zeigte mit dem Finger auf ihn. Ihre Stimme überschlug sich beinah vor Verärgerung.
    »Du sollst da nicht rumstehen hinter unserm Rücken. Setz dich hin. Oder leg dich hin. Oder geh ins Bad. Hast du mich verstanden? Mein Name ist übrigens Sophia. Und meine Freundin heißt Maren. Und das ist Leon und das ist Conrad.« Sie nickte in die Richtung der beiden, senkte den Arm, wartete auf eine Antwort.
    »Ich hab dich verstanden, Sophia«, sagte Noah.
    »Dann ist’s gut. Worauf wartest du also?«
    »Wieso darf ich nicht hier stehen?«
    »Weil uns das

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