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Die unterirdische Sonne

Die unterirdische Sonne

Titel: Die unterirdische Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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einen Ton zu sagen. Wahrscheinlich hatte die Verkäuferin Angst, er würde bald so stumm werden wie seine Mutter.
    Eines Nachmittags – ihre Mutter hatte ihnen gesagt, sie würde heute erst sehr spät vom Putzen nach Hause kommen – teilte Finn seinem Bruder eine Neuigkeit mit. Die Sonne schien, die Vögel sangen im Park hinter der Schule, die Erde roch nach Sommer, und die meisten Kinder waren nach dem Unterricht zum Fluss gelaufen, um zu baden. Die Brüder waren ganz allein in den Wald gegangen.
    Sie nehmen mich, sagte Finn.
    Wer nimmt dich?, fragte Timm.
    Der Verein, erwiderte Finn. Ich darf ein Probetraining machen, einen Monat lang, zwei Mal in der Woche, und wenn ich gut bin, nehmen sie mich ganz und ich gehör dazu.
    Und das Geld?, fragte Timm. Unsere Mutter kann den Verein doch gar nicht bezahlen.
    Da erzählte ihm Finn, dass der Verein, der schon mehrmals Deutscher Meister, Pokalsieger und Champions-League-Sieger geworden war, für besonders talentierte Nachwuchsspieler eine spezielle Förderung bezahlte, die den Jugendlichen keinen Euro kostete.
    So etwas nennt man Stipendium, sagte Finn, und ich bin jetzt ein Stipender.
    Sie standen im Schatten riesiger Fichtenbäume und Timm hatte ein komisches Gefühl im Bauch. Einerseits freute er sich total für seinen Bruder. Andererseits hatte er panische Angst, dass Finn weggehen und nie wiederkommen würde. Warum sollte er auch? Finn wäre bald ein berühmter Spieler in einem weltberühmten Verein, in dem jeden Tag was los war, auch am Wochenende.
    Timm drehte den Kopf zur Seite, damit Finn nicht sah, wie traurig er war, aber sein Bruder hatte es schon bemerkt.
    Ich lad dich zum Training ein, so oft du willst, sagte Finn, und ich besorg dir Karten für die wichtigen Spiele, das versprech ich dir. Und die Mama darf auch mitkommen.
    Aber Timm wurde immer stiller. Auf dem Heimweg sprach er kein Wort. Ist schon klar, dachte er die ganze Zeit, Finn muss erst das Training machen, und erst dann wird entschieden, ob er gut genug für den Verein ist, ist schon klar.
    Aber Timm wusste auch, dass sein Bruder sich diese Chance niemals entgehen lassen würde. Der würde spielen wie der Teufel und keinen Ball verloren geben. So war er, und es war klar, dass sie ihn aufnehmen würden, total klar war das.
    Und als Finn seiner Mutter tief in der Nacht von seinen Plänen erzählte, ging von ihr eine noch größere Stille aus als sonst. Mindestens zwanzig Minuten saß sie nur da und schrieb kein einziges Wort auf den Block, auf den sie immer schrieb, wenn sie was sagen wollte.
    Du gehst also weg von hier?, schrieb sie dann. Weg von Timm und mir?
    Aber die Stadt ist doch nicht so weit weg, sagte Finn. Mit dem Zug bist du in vierzig Minuten da.
    Seine Mutter schaute ihn nicht an, sondern nur den Tisch. Und dann stand sie plötzlich auf, legte die Arme um ihre beiden Söhne und drückte sie so fest wie schon lange nicht mehr. Sie wollte ihre Kinder überhaupt nicht mehr loslassen, Timm bekam schon fast keine Luft mehr.
    So standen sie da, zu dritt, Arm in Arm. Draußen sangen immer noch ein paar Vögel, die vielleicht auch nicht schlafen konnten, wie Marissa und ihre Söhne.
    Und als die Jungen später im Bett lagen und ihre Mutter noch einmal hereinkam, zeigte sie Finn einen Zettel, auf dem stand: Ganz schön mutig von dir, da einfach hinzufahren und hinter meinem Rücken dich zu bewerben. Ich bin stolz auf dich, aber es tut mir auch weh.
    Dann umarmte sie zuerst Finn, dann Timm, dann ging sie zur Tür und drehte sich noch einmal um. Timm streckte seinen Kopf aus der Bettdecke.
    Ich bleib ja da, sagte er, mach dir keine Sorgen.
    Da huschte Marissa aus dem Zimmer und schloss die Tür.
    Am nächsten Morgen gingen die beiden Brüder zur Schule wie immer.
    Am übernächsten Morgen fuhr Finn zum ersten Training in der Großstadt, und einen Monat später wechselte er die Schule und wohnte von jetzt an bei einer Tante in der Großstadt, von deren Wohnung man mit der Straßenbahn nur zwanzig Minuten bis zum Vereinsgelände brauchte.
    Ab und zu fuhr Timm mit seiner Mutter in die Stadt, und sie sahen Finn beim Trainieren zu. Manchmal aßen sie zu dritt Würstel mit Kartoffelsalat, wie früher daheim, wenn es schnell gehen musste.
    Timm hatte jetzt ein Zimmer für sich allein, das fand er ganz angenehm. Aber allein mit der Eisenbahn spielen machte ihm immer weniger Spaß, bis er eines Tages die Schienen abbaute und die Kartons im Keller verstaute. Er hatte nämlich eine neue Beschäftigung

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