Die unterirdische Sonne
nach ihr ausstreckte, löste sie sich in Nichts auf, und er lag wieder allein auf dem Boden.
Und er blieb allein in den folgenden neun Jahren.
Er wuchs zu voller Größe heran und verdiente seinen Lebensunterhalt damit, als der furchteinflößendste Krieger jeden Feind einzuschüchtern und in die Flucht zu schlagen. Nach Jerusalem kam er nicht. Wenn er zu den Sternen hinaufsah, überkam ihn die Wehmut.
Das Leben als Soldat war zermürbend, und Goliat wünschte jeden Tag, seine Landsleute würden endlich einsehen, dass es besser war, mit seinen Nachbarn in Frieden zu leben.
Du bist ein tumber Tor, sagten seine Kameraden dann zu ihm. Und so schwieg er lieber. Unzählige schlaflose Nächte verbrachte er mit Grübeln darüber, wo das rothaarige Mädchen abgeblieben und wie es ihr in der Zwischenzeit wohl ergangen sei.
Eines Tages erfuhr er von einem Späher, dass jenes Mädchen Nasra hieß und sich in einen Israeliten mit dem Namen Schima verschaut hatte. Dieser liebte sie angeblich abgöttisch. Doch Schimas Vater verbot die Verbindung. Und weil sich Nasra und Schima trotzdem heimlich trafen, entführte der Vater das Mädchen und tötete es an einem geheimen Ort. Wie der Späher weiter erzählte, soll Schimas jüngster Bruder bei dem Mord Schmiere gestanden haben.
Wenn ich diesen Feigling in meine Finger krieg, der zugelassen hat, dass das schönste Lächeln unter der Sonne für immer ausgelöscht wurde, dachte Goliat, werd ich ihn zerquetschen wie meine Mama die Granatäpfel für ihren Sirup.
Und nach weiteren drei Jahren passierte es tatsächlich, dass er Schimas jüngstem Bruder in die Augen sah.
Das war genau zu dem Zeitpunkt, als er sich nichts sehnlicher wünschte, als das Heer für immer zu verlassen und zu Hause die Schmiede seines todkranken Vaters zu übernehmen. Stattdessen musste er, wie schon hundert oder tausend Mal vorher, eine schwere Rüstung anlegen, vor die Reihen seiner bewaffneten Landsleute treten und mit seiner riesenhaften Erscheinung dem Feind Furcht und Schrecken einflößen.
Widerwillig tat er, wie ihm befohlen wurde – und stand plötzlich jenem jungen Israeliten gegenüber, den zu töten er sich vor langer Zeit geschworen hatte.
Inzwischen jedoch waren Goliats Rachegelüste versiegt.
Die Erinnerung an Nasra mit den goldenen Ohrringen war fast verblasst und Goliats einzige Sorge galt seinem Vater und seiner Mama. Doch weil immer noch Krieg herrschte, zählten persönliche Dinge nichts, und so kümmerte sich niemand um Goliats flehentliche Bitten.
Vierzig Tage lang, jeden Abend und jeden Morgen, musste er vortreten und mit seiner Stimme, die lauter und unheimlicher klang als die aller anderen Männer auf dem Schlachtfeld, die Knechte König Sauls beschimpfen.
Warum seid ihr losgezogen und habt euch zum Kampf aufgestellt?, brüllte er.
Durch die Reihen der Feinde ging ein Beben. Goliats Stimme fegte wie ein Sturm über die Köpfe der Israeliten hinweg.
Bin ich nicht ein Philister, rief er, und ihr die Knechte Sauls? Wählt euch doch einen Mann aus, der zu mir herunterkommen soll. Wenn er mich im Kampf erschlagen kann, wollen wir seine Knechte sein!
Und wie an allen Tagen zuvor gerieten viele Krieger in Panik, ließen ihre Waffen fallen und rannten davon.
Am einundvierzigsten Tag stand Goliat wieder zwischen den Reihen der Philister und denen der Israeliten, und ein Späher flüsterte ihm zu, dass der kleine Jüngling, der sich aus dem Pulk der Feinde hervorgetraut hatte, jener Zeuge des Mordes an dem rothaarigen Mädchen gewesen sei.
Sein Name, sagte der Späher, sei David.
Goliat war egal, wie er hieß, er wollte nach Hause. Ich bin müde, dachte er. Was willst du, Winzling?
Da griff David in seine Tasche aus Ziegenleder, die er über der Schulter trug, und holte etwas heraus. Goliat konnte nicht erkennen, was es war, denn die untergehende Sonne blendete ihn. Er sah nur, dass das blonde Haar des Jünglings golden schimmerte und sein schlanker Körper Anmut und Reinheit ausstrahlte.
Komm nur her zu mir!, rief Goliat mit donnernder Stimme. Ich werde dein Fleisch den wilden Tieren zum Fraß vorwerfen!
Gleichzeitig dachte er: Wieso sag ich denn so was? Ich kenne den Kleinen überhaupt nicht, er hat mir nichts getan. Warum bin ich nicht längst bei meinem kranken Papa und meiner hilflosen Mama?
Eine Stimme unterbrach seine Gedanken. Er hob den Kopf. Zum Glück war die Sonne etwas gesunken und blendete ihn nicht mehr so arg.
Heute wird dich der Herr mir ausliefern, rief
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