Die Unvergänglichen: Thriller (German Edition)
wachsam zu bleiben. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es hier etwas geben konnte, was ihr schaden würde.
Oben angekommen, schirmte sie ihre Augen vor der Sonne ab und blieb abrupt stehen, als sie den Mann sah, der reglos neben dem Pfad saß. Sie war gerade mal fünf Meter von ihm entfernt, und sie spürte das Adrenalin durch ihre Adern strömen, als ihr bewusst wurde, dass sie nie darüber nachgedacht hatte, was sie in so einem Fall tun würde. Sollte sie etwas sagen? Auf Englisch? Auf Spanisch? Oder sollte sie einfach weglaufen?
Trotz seiner langen grauen Haare schien er gerade mal Anfang vierzig zu sein. Seine Augen hatten rote Ränder und fielen aufgrund seiner unnatürlich blassen Haut erst recht auf – anscheinend war er krank, sehr erschöpft oder beides. Trotzdem hatte er irgendetwas Vertrautes an sich, diese Intensität, mit der er sie anstarrte, diese Nase, die in seinem Gesicht ein Stückchen zu lang und zu gerade wirkte. Als er eine Hand hob und auf sie zeigte, bemerkte sie, dass seine Fingerspitzen verbunden waren.
»Wer sind Sie?«, rief er auf Englisch. »Was haben Sie hier zu suchen?«
Beim Klang seiner Stimme stockte ihr der Atem, und sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Der Mann taumelte auf sie zu und sie wollte wegrennen, aber sie blieb wie angewurzelt stehen und starrte sein Gesicht an, das sie immer deutlicher erkennen konnte.
»Das ist Privatbesitz«, sagte er und zuckte zusammen, als er seine verwundeten Finger um ihren Arm schloss.
»Das …«, stammelte sie. »Das wusste ich nicht.«
»Wie sind Sie hierhergekommen? Raus mit der Sprache!«
Sie blinzelte und schüttelte heftig den Kopf, um sich zumindest so weit zu fassen, dass sie ihm ihren Arm entreißen konnte.
»Halt!«, rief er, als sie wegrannte. Sie hörte seine Schritte auf dem Weg hinter sich, aber als sie es endlich wagte, über ihre Schulter zu sehen, hatte er ein Knie auf den Boden gestützt und hantierte mit einem Handy herum.
Sie wurde langsamer und blieb letztendlich stehen, da sie dieser Mann faszinierte, doch sie konnte noch klar genug denken, um die Digitalkamera aus ihrer Tasche zu holen. Er schien gerade eine Nummer zu wählen und sah nicht auf, während sie sein Gesicht heranzoomte. Sie hatte gerade den Auslöser betätigt, als er einen Arm hochriss, um sein Gesicht zu verdecken.
»Richard!«, rief Carly, als sie durch die Bäume brach und sah, wie er unruhig hinter dem Zaun auf und ab ging.
Erschreckt machte er einen Schritt nach hinten, während sie gegen den Maschendrahtzaun prallte und hastig daran hochkletterte. »Was ist? Was zum Henker ist passiert?«
»Lauf!«
»Ich werde hier nicht wegge…«
»Lass den Wagen an, verdammt noch mal! LOS!«
Er zögerte noch einen Moment, aber als sie den Stacheldraht erreicht hatte, war er bereits zwischen den Bäumen verschwunden.
Dieses Mal kletterte sie nicht so anmutig und blieb mit einem Bein am Stacheldraht hängen, bevor sie sich auf der anderen Seite herunterfallen ließ. Da ihr vor lauter Anstrengung schon ganz übel war, sah sie nicht auf ihr Bein hinunter, sondern legte stattdesseneinfach eine Hand auf die Wunde und humpelte über das freie Feld, das sie auch auf dem Hinweg überquert hatten.
Richard hatte die Straße schon beinahe erreicht, als sie einen Motor aufheulen hörte. Aus dem Augenwinkel sah sie einen offenen Jeep mit zwei Männern darin über das Feld auf sich zurasen. Sie ließ die Wunde los und rannte schneller, sodass ihre Lunge bald mehr brannte als das schmerzende Bein.
Der Jeep näherte sich schnell, aber sie lief weiter auf die Stelle zu, an der sie den Wagen stehen gelassen hatten. Sie würden sie nicht erwischen. Nicht jetzt. Das durfte sie nicht zulassen.
Der Motor heulte auf, als der Fahrer herunterschaltete und zwischen den Sträuchern und Steinen, zwischen denen sie hindurchhastete, auf sie zuschlitterte. Staub und kleine Steinchen flogen rings um sie herum auf, und sie blickte sich rasch um und erkannte, dass sich die vordere Stoßstange des Jeeps nur wenige Meter hinter ihr befand. Sie hatten vor, sie zu überfahren.
Und dann fiel sie – sie taumelte in dem Moment den Abhang hinunter, in dem der Jeep über ihren Kopf flog und gegen die Uferböschung auf der anderen Seite prallte.
Sie lag benommen am Boden und starrte den Unterboden des Wagens an, der nun direkt über ihr hing. Treibstoff sickerte aus dem Tank und bildete eine Lache, die auf sie zufloss und deren Gestank ihr in die Nase drang. Sie
Weitere Kostenlose Bücher