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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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»interessante Arbeit«, die sie sich vorgestellt hatte, aber sie langweilte sich nicht, und während der nächsten zehn Jahre stieg sie auf die langsame, zögerliche Weise auf, die Frauen möglich war. (»Eines Tages wird eine Frau Premierministerin«, sagte Pamela. »Vielleicht sogar noch zu unseren Lebzeiten.«) Jetzt ließ Ursula die ihr untergebenen Schreibkräfte die braungelben Aktenmappen suchen. Sie nahm an, dass das als Fortschritt galt. Seit 1936 arbeitete sie in der Luftschutzabteilung.
    » Dir sind also keine Gerüchte zu Ohren gekommen?«, fragte Pamela.
    »Ich bin eine einfache Squaw, mir kommen ausschließlich Gerüchte zu Ohren.«
    »Maurice darf nicht sagen, was er tut«, murrte Pamela. »Er darf nicht darüber reden, was in den ›heiligen Hallen‹ vor sich geht. So hat er sich tatsächlich ausgedrückt – heilige Hallen. Man könnte meinen, er hätte den Geheimhaltungseid mit Blut unterschrieben und seine Seele dafür verpfändet.«
    »Ach, das müssen wir alle tun«, sagte Ursula und nahm ein Stück Kuchen. » De rigueur, weißt du. Ich persönlich glaube, dass Maurice nur rumläuft und Dinge zählt. «
    »Und sehr selbstzufrieden ist. Der Krieg wird ihm gefallen, große Macht und kein persönliches Risiko.«
    »Da wird’s viel zu zählen geben.« Sie lachten beide. Ursula dachte, dass sie für Leute, die vor einem schrecklichen Konflikt standen, ausnehmend gut gelaunt waren. Sie saßen im Garten von Pamelas Haus in Finchley, es war ein Samstagnachmittag, das Teegeschirr stand auf einem wackligen Bambustischchen. Sie aßen Mandelkuchen mit kleinen Schokoladestückchen, ein altes Rezept von Mrs. Glover, weitergegeben auf einem Zettel, der mit fettigen Fingerabdrücken bedeckt war. An manchen Stellen war das Papier so durchsichtig wie eine schmutzige Fensterscheibe.
    »Genieß es«, sagte Pamela, »bald wird es wahrscheinlich keinen Kuchen mehr geben.« Sie verfütterte ein Stückchen davon an Heidi, eine unscheinbare Promenadenmischung, die sie in Battersea gerettet hatte. »Wusstest du, dass die Leute zu Tausenden ihre Haustiere einschläfern lassen?«
    »Das ist ja schrecklich.«
    »Als würden sie nicht zur Familie gehören«, sagte Pamela und rieb Heidis Kopf. »Sie ist viel netter als die Jungs. Und benimmt sich besser.«
    »Wie waren die Evakuierten?«
    »Schmuddlig.« Trotz ihres Zustandes hatte Pamela den Vormittag damit verbracht, die Verschickung der Evakuierten im Bahnhof Ealing Broadway zu organisieren, während Olive, ihre Schwiegermutter, auf die Jungen aufpasste.
    »Du könntest viel mehr zur Kriegsanstrengung beitragen als jemand wie Maurice«, sagte Ursula. »Wenn es nach mir ginge, solltest du Premierministerin sein. Du wärst besser als Chamberlain.«
    »Ja, das stimmt.« Pamela stellte den Teller ab und nahm ihr Strickzeug – etwas Rosafarbenes und Zartes. »Wenn es ein Junge ist, werde ich einfach so tun, als wäre es ein Mädchen.«
    »Willst du nicht auch weg?«, fragte Ursula. »Du wirst doch die Jungs nicht in London lassen, oder? Du könntest nach Fox Corner, ich glaube nicht, dass die Deutschen die schläfrige Schlucht bombardieren werden.«
    »Und bei Mutter wohnen? Du lieber Gott, nein danke. Ich habe noch eine Freundin vom Studium, Jeanette, Tochter eines Vikars, nicht dass das wichtig wäre. Sie hat ein Häuschen, das früher ihrer Großmutter gehört hat, in Yorkshire, Hutton-le-Hole, ein winziger Punkt auf der Landkarte. Sie wird mit ihren zwei Söhnen hinfahren und hat vorgeschlagen, dass ich mit meinen drei mitkomme.« Pamela hatte in schneller Folge Nigel, Andrew und Christopher in die Welt gesetzt. Sie hatte die Mutterrolle mit Begeisterung angenommen. »Heidi wird es auch gefallen. Es klingt vollkommen primitiv, kein Strom, kein fließendes Wasser. Ein Paradies für die Kinder, sie können leben wie die Wilden. In Finchley ist das schwierig.«
    »Manche schaffen es trotzdem«, sagte Ursula.

    »Was ist mit ›dem Mann‹?«, fragte Pamela. »›Dem Mann von der Admiralität‹.«
    »Du kannst ihn beim Namen nennen«, sagte Ursula und wischte sich Kuchenkrümel vom Rock. »Die Löwenmäulchen haben keine Ohren.«
    »Das kann man heutzutage nicht wissen. Hat er irgendwas gesagt?«
    Ursula hatte seit einem Jahr (sie zählte ab München) eine Affäre mit Crighton – »dem Mann von der Admiralität«. Sie hatten sich bei einer abteilungsübergreifenden Besprechung kennengelernt. Er war fünfzehn Jahre älter als Ursula, ziemlich verwegen und hatte etwas

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