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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Kriegsführung. Ich hatte Angst, daß es mich an irgendeinen gottverlassenen Ort verschlagen würde, in Uniform, um auf Kinder wie mich zu schießen.«
    ’Ntoni: »Du auch, Prando? Das ist unglaublich! Ich hingegen konnte es kaum erwarten, größer zu werden, selbst jetzt will ich endlich zwanzig sein.«
    Prando: »Du bist ja auch, ’Ntoni, nimm es mir nicht übel, ein gewissenloser Mensch wie alle Künstler. Schau dir Mela an, kaum spricht man von realen Dingen, verliert sich ihr Blick in musikalischen Kapriolen.«
    Mela: »Das stimmt gar nicht, ich habe …«
    Prando: »Wie hübsch unsere Mela geworden ist, nicht wahr, Bambú?«
    ’Ntoni: »Jetzt reicht’s, Prando, du kannst mich nicht einfach gewissenlos nennen. Undank ist der Welten Lohn! Wenn ich bedenke, daß du immer mein großes Vorbild im Keine-Angst-Haben warst.«
    Prando: »Dann hast du dich wohl geirrt, lieber ’Ntoni, weil mich unbewußt, wie Joyce sagen würde, die Angst bis heute verfolgt. Andrea hat mich darauf hingewiesen.«
    Bambú: »Worauf hat dich dieser Miesepeter hingewiesen?«
    Prando: »Und schon geht unsere Bambolina wieder zum Angriff über! Genau diese Abneigung habe ich vorausgesehen und ihn deshalb nicht zu uns eingeladen. Außerdem war er das letzte Mal, als er hier war, enttäuscht.«
    Bambú: »Enttäuscht wovon? Laß mal hören, von mir etwa?«
    Prando: »Keine Sorge, nicht von dir. Wer kann deinem Charme schon widerstehen? Von Mann zu Mann hat er mich darauf hingewiesen, daß ich hier bei euch zum Kind werde und mich aufführe und rede wie eine verwöhnte Göre.«
    Bambú: »Merkst du, wie recht ich habe? Merkst du, wie unsympathisch er ist und wie er Zwietracht sät, wo immer er auftaucht, dein Andrea? Ein bitterer, böser Alter! Warum treibst du dich mit soviel älteren Freunden herum?«
    Prando: »Deine Reaktion zeigt mir, daß Andrea recht hat, wenn er sagt, daß der gesunde Teil meines Ichs mich aus dem Haus treibt, um eurer Verdummung zu entkommen. In diesem Haus kann man nicht erwachsen werden, Herrgott noch mal!«
    Bambú: »Andrea hat keineswegs recht! Du beleidigstuns, weil du dich so von ihm bestimmen läßt, daß ich enttäuscht bin, Prando. Dein Andrea ist nur ein unsympathischer Neidhammel, sonst nichts.«
    Prando: »Er ist nicht unsympathisch! Der Fall liegt vielmehr so – und du kannst froh sein, wenn du dir diesen Charakterzug erhältst –, daß du alles, was ernst ist, unsympathisch findest. Das ist gar kein Vorwurf. Ich mag dich so, und deine Freude ist ansteckend in diesen düsteren Zeiten. Aber du mußt aufpassen, nicht vorschnell zu urteilen, allein schon deshalb, weil im Fall von Andrea dein Urteil auch mich trifft. Es ist nicht leicht heutzutage, zwanzig zu sein, Bambolina.«
    Bambú: »Du bist keine zwanzig.«
    Prando: »Siebzehn, das ist dasselbe! Ich verliere allmählich die Geduld mit dir, Teufel noch eins! Und wenn ich und du, Jacopo, und du, ’Ntoni, das Glück hatten, unter Antifaschisten aufzuwachsen, stand Andrea, Fausto, Ardito keine andere Möglichkeit offen, als mit fünf Jahren den balilla 12 beizutreten, mit zehn Faschisten zu werden und mit siebzehn Vollblutfaschisten. Und dennoch haben sie durch eigenes Verdienst und auf eigenes Risiko, gegen die Überzeugung ihrer Familien und Lehrer, zu zweifeln begonnen, um vor ein paar Monaten bei den Littoriali in Neapel vom Zweifel zur Opposition zu wechseln. Weißt du, wie ihr Motto für die Littoriali nächstes Jahr hier in Palermo lautet? ›Antirassismus als gegendeutsche Bewegung‹. Und weißt du, was es heißt, als arme, meist mittellose Studenten, die keinerlei Schutz genießen, so zu denken und zu handeln? Aus Neapel kamen sie voller Enthusiasmus zurück, weil sie dort ein paar Gleichgesinnte getroffen hatten. Deshalb habe ich
    mich entschlossen, Mama um die Erlaubnis zu bitten, an den Littoriali von Palermo teilzunehmen, obwohl sie dagegen ist.«
    Bambú: »Aber dann müßtest du eine Uniform anziehen und in die Partei eintreten!«
    Prando: »Oh, hör schon auf damit, Bambú! Und du auch, Mama, hör auf.«
    Modesta: »Womit, Prando?«
    Prando: »Uns mit deinen Zweifeln unter Druck zu setzen, mit denen ihr Alten jede unserer Bewegungen belauert. Zweifel, die ihr besser auf eure mißglückte Vergangenheit anwenden solltet, anstatt sie über uns auszuschütten! Ihr konntet dem Faschismus nichts entgegensetzen, und nun fürchtet ihr um uns nur deshalb, weil ihr uns nach eurer Ohnmacht von damals beurteilt. Und obwohl ich nie an so einer

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