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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Monat später behauptete die gesamte Verwandtschaft – schlagen könnte ich sie dafür –, sie habe Reue gezeigt … Das kommt von ihren Schulen, vom Kreuz, ich könnte ihn umbringen!«
    »Wen, den Gekreuzigten?«
    »Nein, ich meine diesen Verräter Mussolini, wenn man bedenkt, daß er sogar ein Buch gegen das Papsttum verfaßt hat, und dann schließt er einfach mit diesen Betrügern Frieden und gibt unser Rom den Priestern zurück. Der kann mich mal! Aber wo war ich gerade? Ach ja …was kannst du schon von Ottavia oder Grazia erwarten, die in diesen Schulen aufgewachsen sind, ständig mit dem Kreuz vor der Nase, im Religionsunterricht und jetzt sogar zu Hause … Als ich noch klein war, wenn man da in einem Atheistenhaushalt aufwuchs, genügte es, nicht in die Kirche zu gehen, um die Stimme der Pfaffen nicht hören zu müssen: Damals schützten einen noch die eigenen vier Wände! Mittlerweile kommen sie in dein Haus und erzählen dir was, selbst wenn du es nicht willst.«
    »Wie kommen sie herein?«
    »Komm schon, Mody, mit dem Radio natürlich! Dieses Teufelszeug! Stell dir vor: Ich und meine Fijetta kochen gerade, putzen das Haus, da läuft dann, was weiß ich, zum Beispiel ›Illusione dolce chimera sei tu, che fa sognare, sperare e amare tutta la vita …‹ 14 , schönes Lied, oder? Gut, uns ist’s recht, man trällert ein bißchen mit, ohne Böses zu denken, und plötzlich hörst du einen düsteren Gesang, der so dicht auf das Lied folgt, daß du es fast nicht bemerkst. Und bis du kapiert hast, daß das die heilige Messe ist, und zum Apparat gerannt bist, um auszuschalten, hast du das Höllenzeugs schon intus! Tja, Ottavia und Grazia, meine jüngsten Schwestern, sind mit diesem Gift aufgewachsen, und auch sie fingen irgendwann an zu erzählen, die Großmutter habe sich am Ende bekehrt – auch sie, oh! Bekehrt! Hatte ich dir das schon erzählt? Entschuldige, ich wiederhole mich. Das ist der Hunger, ich rede und rede, auch weil ich seit drei Jahren mit niemandem mehr gesprochen habe und um mir dieses Loch im Magen zu stopfen. Entschuldige.«
    »Nein, Nina, rede nur, ich mag das. Meine Mutter hat nie geredet.«
    »Wieso?«
    »Vielleicht weil sie immer zwischen den ganzen alten Lumpen saß und nähte, hat sich ihr der Mund verschlossen.«
    »Machst du Witze? Deine Mutter hat Lumpen genäht? Meinst du vielleicht, weil sie immer über ihrer Stickerei saß? … Ah, da ist ja unsere gute Schwester Giuliana! Die Suppe, was, Schwester? Was sag ich, das fiese Gebräu! Vielleicht liegt es an dem Plausch unter Freunden, aber heute sieht sie nicht so schlimm aus wie gestern, Schwester. Und der Geruch ist gar nicht so übel. Habt ihr etwa einen neuen Koch im Haus? Oh, Mody, hast du gehört, wie sie den Knast nennt? Haus nennt sie ihn.«
    »Still, du rüpelhafte Kreatur, und weg mit deinen Händen! Oh, Fürstin, es ist eine Schande! Ich habe es der Schwester Oberin noch einmal ans Herz gelegt, eine Schande, daß Ihr hier mit der da in einem Raum schlafen müßt, aber es ist alles voll, alle Zimmer sind belegt.«
    »Warum sagst du nicht gleich: ›Das Hotel ist ausgebucht‹, hm, Schwesterchen? Weißt du, daß ich von dir geträumt habe, Schwester? Ich habe geträumt, daß wir uns in der Hölle getroffen haben, eng umschlungen und nackt.«
    »Wärt Ihr doch nur drei Tage früher gekommen, Fürstin! Die Welt scheint wirklich verrückt zu spielen! Vielleicht wegen des Krieges, der mal kommt und mal nicht. Wir hörten, daß gestern das Gerücht umlief, er sei ausgebrochen und ganz Palermo sei aufs Land geflüchtet, aber dann kehrten sie wohl wieder zurück … Angeblich werden Gasmasken verteilt … Aber wenn die da Euch zu nahe tritt, müßt Ihr es mir sagen; obwohl sie unterdem Schutz der Dame von nebenan steht, werde ich dafür sorgen, sie Euch aus den Augen zu schaffen! Ihr seid zu gütig, sagt mir die Wahrheit, belästigt sie Euch?«
    »Was redet Ihr da, Schwester Giuliana! Für uns Frauen, die wir in Gehorsam und Demut aufgewachsen sind, macht es keinen Unterschied, ob wir allein sind oder nicht. Und man muß verstehen und der Dummheit verzeihen können, wir alle sind Lämmer Gottes! Und auch Nina, das spüre ich, ist tief in ihrem Inneren nicht so schlecht, wie sie scheint. Ich werde ihr helfen, mein Aufenthalt hier ist vielleicht ein Zeichen des Herrn. Vielleicht bin ich dazu berufen, dieses verirrte Schaf auf den rechten Weg zurückzuführen! Ich werde die Schwester Oberin bitten, mir den Trost zu geben, diese Seele

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