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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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diese Heilige da nebenan aufgetaucht wäre, diese Maestra, hätten sie michbei lebendigem Leib ausgesaugt! Sie hat mich hierher auf die Krankenstation geschafft … Los, los, mach schon! Ich geh jetzt schlafen – ich tue zumindest so – und drehe mich zur Wand. Und du ziehst das zerlumpte Laken vor, das Schwester Giuliana so liebevoll Vorhang nennt, und erledigst dein Geschäft. Geht es so? Nein? Gewöhn dich lieber gleich dran … wie heißt du? – Verdammt! dieses ewige Fürstin geht mir auf den Wecker – … Modesta? Jesses, was für ein Name! Wer hat dir den bloß verpaßt? Ist ja fast schlimmer als Fürstin. Also, schau selbst, ob man so eine schöne Frau Modesta nennen kann, die zudem weint, weil sie nicht scheißen kann … Mody soll ich dich nennen, sagst du? Na ja, ist schon hübscher … Hör zu, Mody, kommst du jetzt zu Potte, ja oder nein? Worüber sorgst du dich noch, wenn ich dir schwöre, daß ich nicht hingucke? Eventuelle Geräusche? Oder der Gestank? Mit dem Gestank machst du es so, du nimmst das Stück Zeitung, und während du dich erleichterst, verbrennst du mit diesem Streichholz – nicht verschwenden, hörst du, die sind rar hier! – die Zeitung, im Kübel, meine ich, und schon verfliegt das Düftchen, verstanden? Los jetzt, steh auf und vergiß mich, tu so, als wär ich nicht da, als wär ich blind und taub: Guck nur, wie blind und taub ich bin, auf der Bühne konnte ich sogar ganz passabel humpeln. Als Kind wollte ich immer Schauspielerin werden … Was ist los, warum krallst du dich so an mir fest, tut dir etwas weh oder was? Was ist? Tut dir was weh?«
    »Nein, nein, vielleicht vor Lachen oder durch deine Massage … O Nina, wie peinlich, es kommt, es kommt, ich kann keinen Schritt mehr tun!«
    »Was bist du so entsetzt? Ein Glück ist das! Halt dich an meinem Arm fest, nur gut, daß du so leicht bist. So,hier, runter mit der Unterhose … Nein, ich bleibe ja hier, du mußt dich nicht so festkrallen … laß meine Hüfte los, ich bin ja hier, aber nun entleere dich endlich, halt nicht mehr ein, an einem Darmverschluß kann man krepieren! Laß alles raus!«
    Dank diesem »laß alles raus« oder aufgrund der Wärme, die sich von ihren Hüften auf meine Arme übertrug, ließ ich mich gehen und barg mein Gesicht in ihrem Schoß … Ich entleerte mich, während sie über mir stand, mir übers Haar strich und dabei murmelte: »Du bist Mamas braves Mädchen, gutes Mädchen, laß alles raus, immer raus damit, dann bist du gerettet!« Und was ich niemals gedacht hätte, es erfüllte mich mit einer Lust, süßer als Likör und Tuzzus Zunge, und ich weinte und seufzte, doch nicht vor Scham, sondern vor Wonne, während ich leise wiederholte: »Nina, Nina, geh nicht weg …«

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    »Geh nicht weg, sagt sie. Im Knast! Ich schwöre dir, wenn ich rauskomme, ist das das erste, was ich erzähle. Oh, ich lach mich tot, das ist ein echter Witz!«
    Beim Lachen hebt Nina den Kopf, ein helles Lachen, eine ferne Erinnerung an endlose Roggen- und Mohnblumenfelder. Eine ferne Erinnerung an die Vögel, an den anbrechenden Morgen, weiß und glänzend, wie damals, als man in aller Frühe aufstand und den Brotteig ansetzte …
    »Ich habe Hunger.«
    »Das glaube ich gern, so wie du dich entleert hast! Gutes Zeichen für die Gesundheit, denke ich, aber für den Magen gelten andere Regeln! Du hast keine Wahl,entweder du stirbst an Vergiftung, oder … Vorher hattest du weniger Hunger, stimmt’s?«
    »Gar keinen Hunger, nur Ekel.«
    »Ja, und auf den Ekel wäre das Fieber gefolgt.«
    »Ich habe Hunger!«
    »Ist ja gut, ich hab’s gehört! Wenn du davon redest, machst du es nur noch schlimmer. Ich hab eine Klinge anstelle des Magens! Aber es ist Zeit für die Suppe … es ist die Stunde …«
    »… die mit Sehnsucht füllet …«
    »Ach was, Dante! Belli ist unser Dichter! ›Wieviel Uhr, welche Stunde? Es gibt eine Sache, die will nicht behagen. Hört ihr, Braut, wie die Glocken schlagen? Wißt Ihr, gnä’ Frau, welche Stunde sie künden? Die Stunde, da die Frauen als Huren enden.‹«
    »Das kenne ich nicht.«
    »Wo hast du nur gelebt? Ich werde dich schon noch mit dem König der Blasphemie bekannt machen. Diese Wortverdreher des Papstes sagen ja, er habe sich vor seinem Tod bekehrt, aber das stimmt nicht, das behaupten sie von jedem. Als meine Großmutter starb, war ich dabei, und sie bereute rein gar nichts, sie war nur sauer, daß sie so früh sterben mußte, sagte sie. Dabei war sie achtzig! Na ja, kaum einen

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