Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
Vom Netzwerk:
des Stolzes vertreibt den schläfrigen Nebel, wenn Nina so von Jacopo spricht. Um von ihm zu hören, nur deswegen lasse ich mir die Geschichte unserer Befreiung erzählen, die ich längst auswendig kenne …
    »Ja, ja, genau er, während alle den Sturz des Faschismus feierten und sich der Illusion hingaben, er sei besiegt, ist er noch am selben Morgen mit Pietro losgezogen, um Erkundigungen einzuholen … Ja, er hat euren Freund Pasquale dazu gebracht, ihm zu helfen. Von wegen schüchtern und unentschlossen! Er hat die Reise organisiert, alle Widrigkeiten aus dem Weg geräumt. Und nachdem er uns hergebracht hatte, ist er sofort nach Rom aufgebrochen, um meine Olimpia zu holen. Gerade noch rechtzeitig, oh!«
    Und um noch mehr zu hören und mich der Bewunderung zu versichern, die Nina für meinen Jacopo hegt, muß ich nur fragen:
    »Und stimmt es wirklich, daß er mich den ganzen weiten Weg getragen hat?«
    »Aber natürlich! Er und Pietro, aber meistens er.«
    Meistens er! … Auch wenn er fern ist (Jose hat ihn mitgenommen, um im Norden zu kämpfen), fliege ich sanft in Jacopos Armen vom Bett zum Sessel. Und wenn es nicht zu warm ist – »Du darfst nicht schwitzen«, hat er gesagt –, umfaßt er vorsichtig meine Taille und führt mich zum Fenster, das so beschwerlich zu erreichen ist, aber sauber und ohne das Schaben von Wanzen und Ungeziefer.
    »Hier haben wir es gut, was, Kätzchen? Mit den vielen Bäumen, auf denen der Blick sich ausruhen kann. Draußen alles grün und drinnen alles so sauber! Weißt du noch, wie die schwarzen Ratten über den Boden huschten? Es war wirklich tapfer von dir, niemals ein Wort darüber zu verlieren, Mody, das muß ich schon sagen.«
    »Die konnte man nur ignorieren.«
    »Klar, aber jetzt, wo ich die fast übertriebene Reinlichkeit hier sehe, wird mir das Ausmaß deines Mutes erst richtig bewußt.«
    »Und deines auch, nachdem du mir nie von deiner See- oder Inselkrankheit erzählt hast, oder wie du sie nennst.«
    »In meinen Träumen sehe ich es immer noch vor mir, dieses Fleckchen Erde! Himmel, da konnte man den Blick nicht heben, ohne das furchteinflößende, heranrollende Naß zu sehen.«
    »Deswegen hieltest du so oft den Kopf gesenkt. Es war also gar kein Kopfweh.«
    »Schön wär’s, die Feine-Damen-Migräne, was denkst du! Es fühlte sich an, als würde mein Kopf in die Länge gezogen und von den Wellen mitgerissen. Ach, die wissen schon, daß es den meisten Inselsträflingen so ergeht, außer dir natürlich, meine Schöne!«
    »Umarme mich, Nina, du hast recht, aber ich habe immer noch Angst. Ich schäme mich, ich habe Angst!«
    »Komm her, halte ganz still in meinen Armen, bis die Angst vorübergeht. Ob du es glaubst oder nicht, Nina ist eine Meisterin darin, kleine Kätzchen zu beruhigen.«
    Nina ist eine Meisterin darin, mit ihren Zärtlichkeiten jedes Erschauern der brennenden Stirn zu lindern. Und so sehe ich ihr auch heute wieder in die Augen und versuche, das lange Warten, die Sorge, die Angst, das Ausbleiben von Nachrichten zu vergessen, unter dem Bombenhagel und dem Echo von Massakern, Folter und Massenhinrichtungen, von denen nur der erzählen kann, der sie erlebt hat.
    Doch das kommt später … Jetzt, wenn Nina nicht wäre, triebe ich rücklings durch die Leere aus Sorge und Fieber, im hilflosen Versuch, die verschlossenen, vom Schrecken versiegelten Gesichter jener zu entziffern, die zurückkehren, während dieses unergründliche Stimmengewirr unablässig aus dem Radio quillt … Es gibt keinen Trost, weder Bambolinas Schönheit, eine neue Schönheit mit ihrem gebräunten Gesicht und voller Stolz auf die Feldarbeit, noch Carluzzu, Stellas Sohn, der hinfällt und schon, ohne zu weinen, alleine wieder aufsteht, noch die Geburt der kleinen Beatrice – pures Weiß und Gold –, der Tochter von Bambú und Mattia, noch der Anblick von Olimpia, Ninas Tochter, die mit Crispina spielt.
    »Die beiden sind wohl immer zusammen, was, Nina?«
    »Diese Crispina ist eine Naturgewalt! In wenigen Monaten hat sie meine Olimpia umgekrempelt. Sie kam zu uns mit den Augen eines erschrockenen Schafes. Sprach kein Wort. Und nun rennt und springt sie wie ein Zicklein …«
    Nachts taste ich suchend nach Ninas Hand, die dunkle, ernste Nina von der Insel, die schon Erinnerung ist. Tagsüber die goldene, lächelnde Nina, die im sanftenGrün der Weinberge durch den Sonnenuntergang läuft. Endlich kann ich neben ihr hergehen und ihre Geschichten, ihre Scherze in mich aufsaugen.
    »Der

Weitere Kostenlose Bücher