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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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nein! Obwohl wir wenig Geld haben und ein Gehalt uns nicht schaden würde. Wenn sie dich allerdings bezahlen, und soweit ich das sehe, zahlen sie nicht schlecht, machen sie dich zu ihrem Untertan und binden dir die Hände. Nein, Prando, ich möchte mich frei äußern können wie eh und je.«
    »Du bist wirklich unberechenbar, Mama, unberechenbar und irritierend! Die kommunistische Sache …«
    »Ich habe mich eingeschrieben, oder? Ich bin bei euch, und nun, wo ich noch mein Talent entdeckt habe, vor Publikum zu reden, von dem ich nichts wußte …«
    »Oh, du bist einfach phantastisch!«
    »Gut, ich werde für euch arbeiten, aber mit Kontaktzur Basis, auf den Plätzen, in der Menge, nicht in einem Palast, wo ihr schon genug seid, um uns zu verteidigen.«
    »Auch das stimmt, die jungen Leute können nicht vor Publikum reden, es ist merkwürdig.«
    »Zwanzig Jahre Schweigen sind zwanzig Jahre.«
    »Schon, die wenigen, die reden können, haben es wie ich bei den Littoriali gelernt, also kurz gesagt, auf faschistischem Terrain.«
    »Eben, und darum füllt ihr mit mir eine Lücke. Sind wir uns einig, Prando?«
    »Dennoch tut es mir ein bißchen leid, ich hatte so gehofft, dich in Rom an der Seite von Joyce zu sehen.«
    »Was für ein schönes Fest, nicht wahr, Prando?«
    »Oh, wunderschön! Die spontanen Feste sind immer die schönsten.«
    »Schade, daß es schon vorbei ist, oder, Nina?«
    »Schade, aber warum kommen Jacopo und Bambú nicht zurück? Sie sind jetzt schon seit einer Stunde oben bei ’Ntoni, ich mache mir ein wenig Sorgen.«
    »Da sind sie, ich gehe dann mal.«
    »Aber warum, Prando? Bleib doch, willst du denn nicht hören, wie es ’Ntoni geht?«
    »O Nina, verzeih mir, aber ich habe Besseres zu tun, als mir die Krisen eines verwöhnten Muttersöhnchens anzuhören.«
    Prando steht langsam auf und geht zur Terrassentür; unterwegs rückt er einen verschobenen Sessel mit rotem Seidenpolster zurecht. Einen Moment lang sammeln sich die hundert Feuerzungen des Sonnenuntergangs auf dieser Seide und in seinen Haaren, einen Moment lang hält sein großer, athletischer Körper inne und betrachtet schweigend die mit Gläsern, Krügen und Tellern vollgestellten Tische … Vielleicht hat er in unseren Blicken dieEnttäuschung über seine Worte wahrgenommen. Vielleicht haben sie ihn selbst getroffen, denn er sagt:
    »Es war schön, Mama, ein Fest nach all den Jahren! Ich sollte euch eigentlich helfen, alles aufzuräumen, aber, tja, ich muß weg, entschuldigt. Bis später.«
    »Was soll ich sagen, Mody? Ohne jemanden beleidigen zu wollen, aber je länger ich diese Typen betrachte, um so froher bin ich, daß ich selbst ein kleines Mädchen habe. Hast du ihnen denn nicht Voltaire zu lesen gegeben?«
    »Natürlich habe ich das!«
    »Bist du sicher? Auch den Eintrag über Fanatismus und Toleranz? Wenn ich an der Regierung wäre, würde ich all die Prandos auf eine grüne Wiese und an sprudelnde Bäche setzen und immer wieder das lesen lassen, was Voltaire über den Fanatismus sagt … So ein Fanatiker, oh! Als wäre er als einziger im Krieg gewesen.«
    »Ach, Nina, jetzt bekomme ich wieder gute Laune! Weißt du, was ich tun würde, wenn ich an der Regierung wäre?«
    »Was?«
    »Ich würde denjenigen ein lebenslanges Gehalt zahlen, die wie du das Talent haben, andere zu erheitern.«
    »Red mir bloß nicht von Gehältern, Grundgütiger! Was soll ich bloß tun, um etwas zu verdienen? Scheiße, so richtig kenne ich mich eigentlich nur mit Gefängnissen aus! O Mody, gibt es nicht irgendwo eine Schule, an der man dieses Fach unterrichten kann?«
    »Hör auf, Nina, ich platze gleich vor Lachen!«
    »Aber ja, das müßte es geben, man müßte es erfinden. Denn auch wenn der Faschismus zu Ende ist, Gefängnisse gibt es immer noch. Gestern habe ich eine Runde durch Catania gedreht … diese Gefängnisse müssen unter göttlichem Schutz stehen, Mody, alles drum herum vom Bombenhagelzerstört, nur das Gefängnis steht noch da, als sei nichts gewesen … Was tun diese Kinder nur, die carusi , wie ihr sagt? … Hey, ich könnte auch Sizilianisch lernen und es im Ausland unterrichten.«
    »Im Ausland, Nina?«
    »Aber ja, in Italien … Hat euch ganz schön übel mitgespielt, dieses Italien, wie? O Mody, hätte man nicht sofort von der Kleinstaaterei zum Sozialismus übergehen können?«
    »Scheinbar nicht, Nina.«
    »Schade! Was tun die da nur? Seit einer Stunde stehen sie jetzt schon auf der Treppe und unterhalten sich … Sieh nur, sie

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