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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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kannst dich nicht den lieben langen Tag hier herumtreiben, und dann muß ich dich auch noch halb eingeschlafen wegtragen …«
    Der Schlaf zog an meinen Haaren, an meiner Stirn … Diese Picciridda wog nichts: eine kleine Katze auf meinem Schoß. Entweder war ich größer geworden oder sie kleiner als normal. Wie alt sie wohl war? Ich verstehe überhaupt nichts mehr, Tuzzu, die Müdigkeit verwirrt mich, und Ignazios Augen, die mich im Dunkeln sanft und boshaft anzwinkern, boshafter noch als der Mond, verwirren mich. Das waren nicht die Augen eines Jungen,sondern eines erwachsenen Mannes. Ihr Bruder? Wie konnte das sein? Sollte ich sie wecken? Das wagte ich nicht. Sie hier schlafen lassen? Das wäre zu kalt gewesen. »Ihr paßt doch auf die junge Fürstin auf? Seid vorsichtig! Die junge Fürstin darf auf keinen Fall frieren. Sie ist sehr zart, außerordentlich zart!«
    »Fräulein, Fräulein Modesta! Wie gut, daß ich Euch gefunden habe! Ich habe Euch gesucht, zum Abendessen. Ihr wißt ja, daß die junge Fürstin zart ist, zart und gedankenlos, wie die Fürstin immer sagt, und man muß gut auf sie aufpassen, sie vergißt sogar die Mahlzeiten, wenn sie liest oder durchs Haus läuft …«
    »Oh, sie schläft! O mein Gott, Fräulein Modesta, Ihr wißt nicht, Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, was für Sorgen sie uns macht! Immer muß man sie suchen! Ja, ich helfe Euch, sie zu tragen. Das geht immer so, wenn sie in dieses Zimmer kommt! Ich hatte mir erlaubt, der Fürstin vorzuschlagen, dieses Zimmer abzuschließen. Und was hat sie mir geantwortet? In diesem Haus wird nichts abgeschlossen. Wenn Cavallina sich den Hals brechen will, weil sie durch den Park läuft oder bei Ignazio schläft, bitte sehr! Hier ist jeder sein eigener Herr und darf leben und sterben, wie es ihm paßt. Diese Fürstin ist wirklich ein Original! Aber ich bestehe darauf, daß dieses Zimmer abgeschlossen wird. Wißt Ihr, ich bin keine abergläubische Gans, wie die Fürstin die Frauen aus dem Dorf nennt, aber dieses Zimmer bringt der jungen Fürstin Unglück. Wirklich Unglück! Immer wenn sie hierherkommt, finde ich sie Stunden später weinend oder schlafend und so zerrauft wie jetzt wieder. Das ist nicht normal. Wenigstens seid Ihr jetzt hier! Da trage nicht mehr ich allein die Verantwortung.«
    Nur um diesen Redefluß zu unterbrechen, entschied ich mich zu antworten.
    »Keine Sorge, Quecksilber, ich kümmere mich um Beatrice. Ja, genau, tragen wir sie auf ihr Zimmer.«
    »Und das Abendessen?«
    »Vielleicht ist es besser, wenn wir sie schlafen lassen.«
    Wir brachten sie hinauf in ihr Zimmer, und kaum daß sie auf ihrem Bett lag, schlug Beatrice die Augen auf:
    »Ich habe Hunger!«
    »Seht Ihr, wie es geht, Fräulein Modesta, seht Ihr?«
    »Ich habe Hunger!«
    »Das Abendessen wird im grünen Salon serviert.«
    »Nein, ich will hier mit Modesta essen. Hier, habe ich gesagt! Geh weg, weg! Und mach den Mund nicht auf! Irgendwann nähe ich ihn dir noch einmal zu. Sei still und verschwinde, ich will hier essen, mit Modesta!«
    Ich fühlte, wie ich erstarrte. Ich hatte sie noch nie so hart reden hören, und wenn sie so schrie, dröhnte ihre Stimme wie die der Fürstin.
    »Komm her, Modesta, ich habe extra so getan, als würde ich schlafen, um dich in mein Zimmer zu locken. Ich hatte Angst, daß du nicht hierherkommen würdest. Gefällt es dir?«
    Und während ich ihr versicherte, daß es mir gefiel, trat ich zu ihr ans Bett, um herauszufinden, wie alt sie eigentlich war. So aus der Nähe betrachtet, durchzogen kleine Falten die weiße Haut über der Stirn. Oder hatte das Geschrei sie altern lassen? Ich hatte noch nie eine so durchscheinende Haut gesehen.
    »Schau mal, das ist der Spiegel, von dem ich dir erzählt habe. Siehst du, wie fröhlich er ist? Hast du dich noch immer nicht entschieden? Und das ist meine Großmutter. Schau nur, wie schön sie war! Diese zwar nicht adelige,aber reiche Engländerin, erinnerst du dich? Niemand von uns hat ihre Schönheit geerbt, wie Maman sagt. Wir haben es nur geschafft, das Geld zu erben, oder eher, wie sie sagt, zu stehlen. Der Großvater war in finanziellen Schwierigkeiten, wie es bei Adligen oft der Fall ist. Und so, immer Maman zufolge, ist diese naive Bürgerliche ein Geschenk des Himmels gewesen, um unserer Familie aus der Patsche zu helfen. Ich muß immer lachen, wenn sie sagt, daß alle Adligen Diebe sind, angefangen bei den Savoyern, mit deren Adel es ja nicht weit her ist. Darüber muß ich immer

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