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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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schließt dich immer in dieses vermaledeite Zimmer ein, um zu arbeiten! Puh! Morgens mit dem Anwalt Santangelo, nachmittags allein und dann immer mit Eriprando und …«
    »Und mit dir, oder?«
    »Natürlich, für mich die Reste … Und außerdem langweile ich mich, puh! Vor allem jetzt, bei all den Wolken. Wie langweilig!«
    »Es ist Herbst, Beatrice.«
    »Vorher konnte man wenigstens an den Strand gehen. Und dann, nicht, daß ich Eriprando nicht mag, aber er ist klein. Worüber soll ich mit ihm reden? Mit Carlo konnte man sich so gut unterhalten!«
    »Er war Sozialist, Beatrice, vergiß das nicht!«
    »Nein, das vergesse ich nicht. Das ist etwas sehr Schlimmes, ich weiß. Nicht wahr, Modesta?«
    Die dritte Woche ohne Carlo
    »Wie viele Spiele er mir beigebracht hat! Erinnerst du dich noch, als er mit dem Trommelballspiel angekommen ist? Du hast ja keine Ahnung, wieviel Spaß das gemacht hat, das kannst du nicht verstehen, du hast es ja nie lernen wollen. Er hatte mir versprochen, nach dem Sommer viele neue Spiele mitzubringen … Man muß sich einfach Ablenkungen ausdenken, hat er gesagt, wenn der Sommer vorbei ist und man im Haus bleiben muß, um nicht zusammen mit der Natur in Winterschlaf zu fallen. Er hat auch gesagt, daß Herbst und Winter zwar schwierigere Jahreszeiten sind, aber viel … viel …«
    »Konstruktiver, Beatrice.«
    »Genau, konstruktiver. Ja, wegen der Phantasie! Und weil der Sommer, so faszinierend er auch ist, auf die Dauer zu stark zerstreut. Wie gewählt sich doch die vom Festland ausdrücken! Vielleicht weil sie, wie er gesagt hat, lange Winter haben und gezwungen sind, viel nachzudenken?«
    »Du könntest auch sagen: mit ihrer Phantasie zu spielen.«
    »Ach ja, so hat er es ausgedrückt, hübsch, nicht wahr? Komisch, aber ich habe gedacht, daß die vom Festland alle blond und ernst sind, aber er hat schwarze Haare,dunkle Augen und scherzt immer. Natürlich sind seine Hände weiß, erinnerst du dich, wie weiß seine Hände waren? Aber was sage ich da? Du hast ihn dir ja nie angeschaut! Was haben die bloß alle gegen die Sozialisten, Modesta? Er wirkte nicht wie ein Kinderfresser. Vielleicht ist er eine Ausnahme wie Onkel Jacopo, der so lieb war, auch wenn er nicht an Gott geglaubt hat.«
    »Er wird eine Ausnahme gewesen sein, Beatrice.«
    »Wenn dem so ist, wieso schreibst du ihm dann nicht und holst ihn zurück? Vielleicht hört er mit der Zeit und unter deinem Einfluß auf, Sozialist zu sein.«
    »Wenn er dir so sehr fehlt, wieso schreibst du ihm dann nicht?«
    »Ich? Bist du verrückt geworden? Ich bin eine Brandiforti und unverheiratet!«
    »Ich bin nicht verrückt. Dir fehlt er doch, also müßtest du …«
    »Du bist eifersüchtig, das ist es! Darum willst du ihm nicht schreiben. Ich habe dich durchschaut, weißt du? Unter dem Vorwand, daß er Sozialist ist, hast du mir den Mund verschlossen. Du bist eifersüchtig …«
    Es war besser, nicht zu antworten und sie weinen zu lassen, auch wenn mich dieses Weinen dazu drängte, sie in den Arm zu nehmen, und ich dabei dieses schmerzliche Zittern spürte, das unerträglich war und sie seit einigen Tagen stärker hinken ließ.
    »Du bist eifersüchtig auf Carlo, gib es zu! Eifersüchtig bist du!«
    Zwei Tage nach der dritten Woche ohne Carlo
    »Ich habe mich dazu durchgerungen, Carlo zu schreiben, weil mir klargeworden ist, daß du ihn nicht wegen seiner Aktivität als Sozialist, sondern aus Eifersucht fortgejagthast. Und außerdem hatte Onkel Jacopo vielleicht recht, und es ist gar nicht so schrecklich, Sozialist zu sein, wie alle sagen.«
    »Dir steht frei, das zu tun, was du willst, Beatrice.«
    »Was soll das heißen? Auch die Großmutter hat das immer gesagt, und dann … Was soll das heißen? Daß du ihn unhöflich empfängst oder gar nicht? Sag es mir wenigstens vorher, damit ich mich darauf einstellen kann.«
    Jetzt, da sie endlich aufbegehrte, konnte ich reden, auch weil ich nicht wollte, daß sie mich mit Gaia verwechselte. Ich umarmte sie und versuchte, diese von Jahren der Angst und Unsicherheit geschüttelten Locken einen Moment lang zu beruhigen. Ich mußte dieses Gesichtchen beruhigen, das beim geringsten Schatten oder Geräusch zusammenfuhr.
    Ich lege die Hände an ihre Wangen, und ihre Haare fallen so leicht wie früher über meine Finger. Und obwohl jetzt kein Schauer mehr meinen Blick trübt, bringt mir die Berührung einen Frieden, der vielleicht intensiver ist als die Lust von einst.
    »Hör zu, Beatrice! Hör mir einmal

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