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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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zu! Wie deine Großmutter bin ich nicht, auch wenn ich viel von ihr gelernt habe. Ich habe dich ganz anders lieb als sie und will dich nur glücklich sehen. Gegen Carlo habe ich nichts, ich vertraue dir, und daß er dir so wichtig ist, überzeugt mich davon, daß vielleicht nichts dabei ist, Sozialist zu sein. Was wissen wir schon von denen?«
    »Nichts, wirklich gar nichts.«
    »Wer hat in unserem Beisein eigentlich schlecht über die Sozialisten gesprochen? Versuche dich zu erinnern.«
    »Na ja, Anwalt Santangelo, die Tanten und … all die anderen.«
    »Aber das sind doch alles unsympathische Leute, nicht wahr, Beatrice? Langweiler.«
    »O Modesta, bitte, sprich nicht davon! Also ist dir Carlo überhaupt nicht unsympathisch?«
    »Beatrice, halt einen Moment das Köpfchen still und versuche mir in die Augen zu schauen. Carlo ist mir weder sympathisch noch unsympathisch. Er war für mich lediglich Ippolitos und Eriprandos Arzt. Aber wenn dir seine Gesellschaft wichtig ist, werde ich mich bemühen, ihn kennenzulernen und ihn so zu mögen wie du.«
    »Aber ich mag ihn doch gar nicht, Modesta, was redest du denn da? Ich finde ihn nur unterhaltsam.«
    »Na gut. Dann werde ich eben versuchen, seine Gespräche auch unterhaltsam zu finden.«
    »O ja, genau das wollte ich, Modesta! Wie gut, daß du das verstanden hast. Ich habe schlecht über dich gedacht. Aber wenn du nichts mehr sagst, bekomme ich Angst. Ich bin nicht so gescheit wie du oder die Großmutter, ihr versteht selbst ohne Worte. Auch Onkel Jacopo war wie du, aber mir … muß man alles erklären, und jetzt, wo du mit mir redest, glaube ich dir. Ich glaube dir und habe dich sehr, sehr lieb. Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein. Ich finde ihn nur unterhaltsam.«
    »Und wann kommt er?«
    Eine tiefe Röte, wie ich sie noch nie bei ihr gesehen hatte, stieg ihr vom Hals bis ins Gesicht und wühlte mich so sehr auf, daß ich einen Moment lang glaubte, die alte Leidenschaft für sie sei zurückgekehrt. Ich schloß die Augen, um besser zu verstehen. Nein, es war nur die Erinnerung daran (die Sehnsucht danach?), wie ich, Hand in Hand mit ihr auf den Fluren und im Garten, bei jeder ihrer plötzlichen und unvorhersehbaren Gefühlsschwankungen gezittert hatte.
    »Warum hast du die Augen zugemacht, Modesta? Geht es dir nicht gut? Wie schön du mit geschlossenen Augen bist! Wenn du die Augen zumachst, bist du viel schöner, und ich würde dich am liebsten immer küssen, aber das geht nicht.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil ich zu tun habe.«
    »Hat dir Carlo denn geantwortet? Wann kommt er?«
    »Er ist unten im Salon und wartet. Deshalb kann ich dich nicht küssen. Ich hatte Angst, daß du ihn nicht sehen willst, und habe deshalb Quecksilber gesagt, daß sie ihn unten warten lassen soll. Er wartet schon lange. Komm mit, jetzt, wo alles geklärt ist.«
    »Warum gehst du nicht allein hinunter?«
    »Aber das schickt sich doch nicht, Modesta. Ich bin unverheiratet, komm schon!«
    »Ja, natürlich, aber ich komme nur heute mit. In Zukunft erlaube ich dir, ihn allein zu sehen. In diesem Haus bin ich der Herr, oder? Die Zeiten ändern sich, Beatrice.«
    »Was werden die Leute sagen?«
    »Hatten wir nicht entschieden, uns nicht darum zu kümmern, was die Leute sagen, so wie Jacopo es uns geraten hat?«
    »Du hast recht. In Zukunft werden wir sehen, aber heute nicht! Ich habe Angst!«
    Das zitternde Händchen zog mich so wie einst hinter sich her (wie lange lag das zurück?). Aber damals hatte sich über das blasse Gesicht keine solch glühende Röte ergossen, die sie mir jetzt fremd erscheinen läßt. Fremd und doch teuer. Aber das ist gut so.
    Im Salon vor Carlo verschwand diese Röte ebenso schnell, wie sie gekommen war. So schnell, daß ich denArm um Beatrice legte aus Angst (wie ertrug der kleine Körper diese Aufregung?), ihre zarte Taille könnte entzweibrechen. Dankbar lehnte sich Beatrice an mich, und zusammen gingen wir diesem Jungen entgegen, der jetzt, da er einen winterlichen Zweireiher trug, größer und steifer wirkte, wie gealtert.
    »Ihr seht, Fürstin, ich habe Euren Rat befolgt und mir einen Bart stehenlassen. Und genau wie Ihr vorausgesagt habt, habe ich an Jahren und Patienten gewonnen. Ihr seid sehr wertvoll, Fürstin!«
    »Ich freue mich, Euch behilflich gewesen zu sein, auch weil Euch der Bart sehr gut steht. Nicht wahr, Beatrice, steht er ihm nicht gut?«
    »Na ja, vorerst ist das ja noch kein richtiger Bart wie die, die man in Catania sieht … Es wird

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